Gedichte und Prosa (1293 lyrische Stücke) Von Knut Hacker                                                (Bitte links zwischen lyrik und aphorismen durch anklicken wählen und scrollen!)

 siehe auch : knut-hacker.de

 

6.1.1998, vor Mitternacht

 

 

 

Das, was mir allerliebst,

 

hatt´ ich in tiefster Schuld zerstört

 

und selbst die Hölle durchgelitten

 

 

 

Das, was Du mir jetzt gibst,

 

oh Gott, es hat nicht aufgehört,

 

die Liebe lässt sich nicht erbitten.

 

 

 

Ich dank´ Euch, meine Lieben!

 

Die Worte klingen viel zu schal.

 

Ich bleibe tief in Schuld verstrickt.

 

 

 

Mir ist, als könnt´  ich fliegen

 

und säh´, wie Ihr im Jammertal

 

mit ausgeriss´nen Flügeln liegt.

 

 

 

 

 

 

 

18.5.2012

 

 

 

Ich habe ausgespielt!

 

Mein Leben fragt nicht mehr nach mir.

 

Ein Schrei in mir befiehlt:

 

Hau´ ab, was suchst du denn noch hier?

 

 

 

Doch Gott lässt mich nicht sterben,

 

so sehr ich ihn darum auch bitte.

 

Soll sich mein Messer färben

 

durch Blut selbst beigebrachter Schnitte?

 

 

 

Ach, alles scheint vertraut.

 

Die Zeit verrinnt, kennt nicht Gefühle.

 

Was schon´  ich meine Haut?

 

Der Tod ist Ziel doch alle Ziele!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

24.6.2012

 

 

 

Ich habe alles von mir gegeben.

 

Ich weiß: Deine Strafe war gerecht.

 

Nun nimm mir bitte, bitte mein Leben!

 

Ach, schenke mir Gnade, ich war so schlecht!

 

 

 

Ich will und kann nicht mit Dir hadern.

 

Soll ich denn öffnen meine Adern?

 

Soll Sünde ich zu Sünde fügen?

 

Nein, lass mich nicht auch selbst belügen!

 

 

 

Lass andere Herzen für mich schlagen,

 

die meiner Lieben, wie in Tagen,

 

die ich zu leben nicht mehr schaffe,

 

selbst wenn ich mich mit Dir aufraffe.

 

 

 

 

 

 

 

27.4.2000

 

 

 

Schrecklich, im Sterben zu leiden.

 

Doch der Tod gibt den Sinn.

 

Leiden dagegen im Leben,

 

wo der Tod ohnehin

 

täglich bereit, sich zu zeigen,

 

kann auch Glück nicht beheben.

 

 

 

 

 

 

 

Abschied

 

 

 

Trauerweide,

 

durch verhangenes Haar

 

langer Blick

 

streift starr

 

vorbei an Schemen des Zurück.

 

Stumm bewegte Lippen

 

wie im Wellenkreis entrücken.

 

Leises Licht

 

in lockere Schatten

 

des Gesichts

 

gefaltet,

 

wartend.

 

Durch den Schleier heißen Atems

 

flimmernd bricht

 

welke Hand,

 

zerfranst

 

in müdem Winken.

 

 

 

 

 

 

 

Abend

 

 

 

Die Abendsonne hat mit Wimpern durch den Wind geblickt,

 

mit langen Schatten Träume wie aus Nacht sich hingenickt.

 

Ach nein, sie hat die Bäume schon zum Schlafen sanft umgeknickt!

 

 

 

 

 

 

 

Abendgedanken

 

 

 

Diese Abende, diese Sehnsucht

 

nach dem Schlaf, nach dem Tod?

 

 

 

Diese Morgen, diese Ausflucht

 

in den Schein, zu dem Gott?

 

 

 

Tag und Nacht, diese Heimsucht:

 

Ja und Nein ins Pendellot.

 

 

 

Dieses Leben, in der Felsschlucht

 

auf dem Wasser, leckes Boot.

 

 

 

 

 

 

 

Abendstimmung II

 

 

 

Im Licht des Abends wächst die Sehnsucht,

 

die Sehnsucht nach Vertraut,

 

Geborgenheit der Seelenbucht,

 

die man als Kind geschaut.

 

 

 

Ein Ahnen ist uns nur geblieben,

 

in Kähnen schwanken wie in Wiegen.

 

 

 

 

 

 

 

Abendstimmung

 

 

 

Die Sonne sinkt in tiefes Rot.

 

Die Glut verglimmt. Man denkt: Der Tod

 

ist uns bestimmt. Welch ein Gebot!

 

Gehorcht wird blind, und niemand droht.

 

Denn Leben bringt uns Qual und Not.

 

Die Zeit verrinnt. Es kreist das Lot.

 

Die Seele schwingt, sind wir schon tot?

 

 

 

 

 

 

 

Abgesang

 

 

 

Jetzt, da die Kühle mir

 

vom nahen Tode kündet,

 

verschließ´ ich meine Tür.

 

Vom vielen Schlaf erblindet,

 

verträum´ ich mich zu dir,

 

mein Gott, und sterb´ nur hier!

 

 

 

 

 

 

 

Abgesang

 

 

 

Bleich ist alles Licht geworden.

 

Beinern schimmert das Gestein.

 

In den weichen Schatten trocknen

 

stillgeduckte Träume ein,

 

 

 

ahnend ein starrendes All.

 

 

 

Laue Luft streift selbstverloren.

 

brüchige Gedankenreih´n.

 

Zeiten breiten fein verwoben

 

Lügen über scheues Sein.

 

 

 

 

 

 

 

Abgrund

 

 

 

Immer, wenn das Leid dich übermannt,

 

hält dich Gott mit seiner sanften Hand

 

schützend über ungeheurem Schlund:

 

seines Wesens Tiefe ohne Grund!

 

 

 

 

 

 

 

Abgründig

 

 

 

Gott ist nicht himmlisch,

 

denn wir können nicht fliegen.

 

Er ist abgründig,

 

denn wir können fallen,

 

und er hält uns tief unten auf.

 

 

 

 

 

 

 

Abschied II

 

 

 

Ein leerer Wunsch entsagt vergilbtem Eid.

 

Gedanken starren in die tote Zeit,

 

verschwimmen fraglos in Verschwiegenheit.

 

Verschlossen streift der Abschied, längst bereit,

 

mit klammer Hand das steife Festtagskleid.

 

 

 

 

 

 

 

Abschied III

 

 

 

Es ist der Abschied.

 

Die Schatten werden nicht mehr länger.

 

Ich bin gefasst wie nie!

 

Er ist uns in die Wiege gelegt

 

und hallt wie euer letztes böses Wort

 

und mein Schrei

 

unter weiten, brennenden Augen.

 

 

 

 

 

 

 

Abschied IV

 

 

 

Die Abschiedsworte klingen munter.

 

Die Gäste zieht es magisch heim.

 

Doch niemanden erwarten Wunder.

 

Du bleibst zurück und bist allein.

 

 

 

 

 

 

 

Abschied

 

 

 

So sieht ein Abschied immer aus:

 

Du möchtest so viel Letztes tun.

 

Du reißt dich aus der Welt heraus.

 

Sie wird in der Erinnerung ruh´n,

 

Die neue Welt treibt dich voraus

 

zum nächsten Abschied, letzten nun?

 

 

 

 

 

 

 

Akademische Bildung

 

 

 

Es antwortet auf die Frage: Wie viele Ecken hat der Würfel?

 

 

 

 

 

der katholische Theologe:

 

 

 

„Die Beantwortung der Frage ist zweitrangig. Für uns ist vor allem wichtig die Erkenntnis, dass wir sie beantworten können; in dieser Fähigkeit offenbart sich die Göttlichkeit unseres Daseins. Amen.“

 

 

 

 

 

der evangelische Theologe:

 

 

 

„Die Beantwortung der Frage ist zweitrangig. Für uns ist vor allem wichtig die Erkenntnis, dass wir sie beantworten können. Darin offenbart sich die Beschränktheit dieser unserer Welt und unseres Gesichtskreises. Amen.“

 

 

 

 

 

der Jurist:

 

 

 

„Römisch Eins: Der Würfel könnte null Ecken haben.

 

                      Arabisch Eins: Dafür spricht: nichts.

 

                      Arabisch Zwei: Dagegen spricht: alles

 

Römisch Zwei: Der Würfel könnte eine Ecke haben.

 

                      Arabisch Eins: Dafür spricht usw. usw.

 

 

 

 

 

der Mediziner:

 

 

 

„Will ich gleich mal nachzählen.“

 

 

 

 

 

der Philosoph:

 

 

 

„Dieses Problem ist in der Fachliteratur noch viel zu wenig behandelt worden. Ich persönlich möchte in Anlehnung an den Philosophen XY fast der Ansicht zuneigen, dass der Würfel wohl drei Ecken hat, denn die Drei ist Symbol der Zweckmäßigkeit, und warum sollte der vielgebrauchte Würfel nicht zweckmäßig aufgebaut sein?“

 

 

 

 

 

der Philologe:

 

 

 

„Würfel? Pha! Was halten Sie von Werfel, Franz Werfel, eine Persönlichkeit, die …....“

 

 

 

 

 

der Orientologe:

 

 

 

„Upscha tamta rürfartra......“

 

 

 

 

 

der Naturwissenschaftler:

 

 

 

„Der Würfel hat bekanntlich 6 Seiten. Jede Seite hat 4 Ecken. 6 x 4 = 24, dividiert durch 3, weil jede Ecke zu 3 Seiten gehört, macht 8.“

 

 

 

 

 

 

 

Albtraum eines nicht Schwindelfreien

 

 

 

Hiiilfe!

 

 

 

Ich darf nicht in die Tiefe blicken.

 

Sie zieht mich sonst hinab.

 

Augen schließen!

 

Festkrallen!

 

 

 

Hiiilfe!

 

 

 

Die Muskeln werden weich.

 

 

 

Hiiilfe!

 

 

 

Ich fühle mich haltlos,schwebend.

 

 

 

Hiiilfe!

 

 

 

Lieber freiwillig hinabstürzen

 

als diese Todesangst.

 

 

 

Hiiilfe!

 

 

 

Gott sei mir gnädig!

 

Aaaaaaa........

 

 

 

Vom Schrei

 

herzklopfend aufgewacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Allein II

 

 

 

Du bist nicht allein auf die Welt gekommen,

 

und du kannst in der Welt nicht allein leben,

 

doch du wirst allein aus der Welt gehen,

 

und wenn du's genau besiehst,

 

warst du immer allein

 

und die anderen eben andere.

 

 

 

 

 

 

 

Allein im Gras

 

 

 

Verschwommene Gefühle

 

hinter pochendem Herzen

 

Ein Wehtun ohne Schmerzen

 

 

 

Die Sehnsucht nach unverschuldetem Tod

 

Träumen im schwankenden Boot

 

 

 

Meer und Himmel vermischt

 

Sanftem Regen

 

Aus Luft und Licht

 

Betend ergeben

 

Bitte ja!

 

Bitte nicht!

 

 

 

 

 

 

 

Allein

 

 

 

Allein, das heißt:

 

als einer alles sein.

 

Doch so allein,

 

dass man nicht einmal mehr

 

mit sich allein ist,

 

ist man erst im Tod!

 

 

 

 

 

 

 

Allerheiligen 07

 

 

 

Hört das Schweigen der Toten!

 

Ist das etwa das Nichts?

 

Das Nichts hat keine Boten

 

Das Dunkel ist Bote des Lichts!

 

 

 

Wir kennen Boten des Todes.

 

Verkünden sie etwa das Nichts?

 

Die Neige des Lebensbrotes

 

zeugt nicht vom Geist des Verzichts!

 

 

 

Im Sein entstand das Leben.

 

Ein Nichts entstand hier nicht.

 

Und was vergeht, bleibt eben

 

vergangen seiend schlicht!

 

 

 

 

 

 

 

Allerheiligen 2015

 

 

 

Die Gräber kennen keine Seelen.

 

Es fliegt ein buntes Blatt heran,

 

Den matten Sonnenstrahlen fehlen

 

die Ahnung, was Gott hat getan,

 

uns weinend antut immer wieder.

 

Am Abend legt sich Nebel nieder.

 

Die Nacht legt Träume in die Särge,

 

träumt Todesseel´n für gute Werke.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Allerheiligen

 

 

 

Die Bäume sind knorrig, die Leute auch.

 

Vermodertes Obst riecht, Gräberweihrauch.

 

Das Kirchlein schläft noch. Ein Greis stößt auf.

 

Er sitzt hinterm Stock, die Hände am Knauf.

 

Am Himmel tobt der Luftverkehr.

 

Man richtet sich zum Kirchgang her.

 

Und später in den Gräberreih´n

 

wird Stille in den Seelen sein.

 

Ein Kreuz umspielt im Fall das Laub.

 

Das Licht wirkt blind, die Zeit voll Staub.

 

 

 

 

 

 

 

Allerheiligen

 

 

 

Moderndes Grab

 

unter den Runen

 

schwarzen Geästs:

 

 

 

Aus dem braunen Laub

 

reifstarr blickt

 

greises Kind,

 

verweint,

 

still ins trockene Licht.

 

 

 

Den Geruch von faulem Obst

 

hält die klare Luft

 

-oh Chorgesang!-

 

in bitterkalten Händen.

 

 

 

Stumm neigt sich ein Schatten,

 

beugt sich der Nacht.

 

 

 

 

 

 

 

Alles eins

 

 

 

Die wirren Wege,

 

die ich immer wieder wandle,

 

meist eilend

 

und zu oft im Weinen weilend,

 

sie werden einmal eins

 

wie eine nur vom Geist

 

zu zeichnende Gerade,

 

ins ewig Weite weisend.

 

 

 

Dann heißt es gütig: „Warte!“

 

Das war's dann wohl.

 

Ein Ziel gibt’s nicht,

 

du brauchst auch keins.

 

Du bist nicht mehr.

 

Ist alles eins.

 

Ist nichts.

 

Ist eins gleich Kein´s.

 

 

 

 

 

 

 

Alles Windhauch?

 

 

 

Es ist da was um unser Sein,

 

ein Ahnen gibt uns etwas ein.

 

 

 

Ich sitze da und denke nach.

 

Man ahnt so viel, der Geist ist schwach.

 

 

 

Ach, letztlich ist doch alles nur

 

uns eingegeben von Natur.

 

 

 

Wir glauben, denken, werten, fühlen.

 

Ist´s Wind nur für die Lebensmühlen?

 

 

 

 

 

 

 

Allverbindend

 

 

 

Ich streife durch die Stadt

 

und schau´ Gesichter an,

 

die Landschaften der Seelen.

 

 

 

Und ab und zu,

 

da ernte ich

 

ein mütterliches Lächeln.

 

 

 

Ich schau´ wohl wie ein Kind,

 

so absichtslos

 

wie dieses Lächeln,

 

so offen aus der Tiefe,

 

die alle Menschen doch verbindet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alter

 

 

 

Endlich sterben.

 

Nicht mehr leben.

 

Wenn auch leider

 

dies nicht merken.

 

 

 

 

 

 

 

Alter Mann

 

 

 

Es sitzt im Park auf einer Bank

 

ein alter Mann. Er ist schwer krank.

 

Man sieht es ihm jedoch nicht an,

 

dass er sich nicht mehr freuen kann.

 

 

 

Ein Kind läuft arglos auf ihn zu.

 

Er denkt sich: „Lass´ mich doch in Ruh´!“

 

Doch lächelt er. Das Kind bleibt stehen,

 

läuft wieder weg. Was ist geschehen?

 

Es hat die Traurigkeit gespürt,

 

in der auch Lächeln nicht verführt.

 

 

 

Bald kommt ein Hund herangesprungen

 

und bellt und knurrt aus vollen Lungen.

 

Er will die Traurigkeit verbellen.

 

Zu Hunden schlägt sie weite Wellen.

 

 

 

Das hat der Mann schon oft erfahren,

 

nicht erst in diesen schlimmen Jahren.

 

Ging er spazieren, kamen Hunde

 

und zogen schnüffelnd ihre Runde.

 

Doch, war er nicht von Schwermut frei,

 

dann sprangen bellend sie herbei!

 

 

 

Der Hund folgt jetzt dem Ruf des Herrn

 

nicht mehr, und dieser eilt von fern

 

heran – zum toten alten Mann.

 

 

 

 

 

 

 

Alter

 

 

 

Seltsam, man begegnet greisen Gesichtern,

 

fragt sich: Sind sie's oder sind sie's nicht?

 

Ihre Blicke starren, sie irrlichtern.

 

Weg sind sie, bald nicht nur aus der Sicht.

 

 

 

 

 

 

 

Alternative

 

 

 

Für´s Leben kannst du nichts dafür.

 

Drum geht es dir nichts an.

 

Entweder nimm es dir!

 

Ja, oder lebe es als Wahn!

 

 

 

 

 

 

 

Altersbilanz

 

 

 

Im Alter ziehe ich Bilanz:

 

Das Leben war nicht lebenswert!

 

Selbst hinter all dem bisschen Glanz

 

hab´ ich nur Dreck hervorgekehrt.

 

 

 

Nur Leid und Ungerechtigkeit

 

hab´ ich erlebt, verfluchte Zeit!

 

Ich war zum Sterben stets bereit,

 

zum Selbstmord aber viel zu feig´.

 

 

 

Wird auch der Tod noch Unheil bringen,

 

so wie es die Geburt doch tat?

 

Ach, möge er das Nichts erzwingen,

 

das leblos vor dem Leben lag!

 

 

 

Ans Paradies ist nicht zu denken:

 

Soll Totsein mehr als Leben schenken?

 

 

 

 

 

 

 

Altersgedicht

 

 

 

So also kommt der Alterstod!

 

Nichts hat das Leben mehr zu sagen.

 

Kein Abschied und kein Abendrot.

 

Du hättest Grund, doch willst nicht klagen.

 

Erlebtes drängt sich auf, nichts ruht.

 

Die Zeit enteilt, es gibt kein Rasten.

 

Ja, deine Lieben meinen's gut.

 

Du willst sie nicht zu sehr belasten.

 

Viel kannst du nicht mehr, was du willst.

 

Du lebst fast nur noch in Gedanken.

 

Und wenn du wie ein Kind dort spielst,

 

dann hebt der Tod die letzten Schranken.

 

 

 

 

 

 

 

Altes Haus

 

 

 

Betrachte nur ein altes Haus!

 

Wie viele haben dort gelebt!

 

Sie gingen ein und gingen aus

 

für etwas Glück, wonach man strebt.

 

 

 

Sie sind nicht mehr, doch ohne sie

 

wär´ anders, als sie ist, die Welt.

 

Ein Sandkorn selbst – und säh´ man's nie -

 

ist für das So der Welt bestellt.

 

 

 

 

 

 

 

Am Abend

 

(Heile Welt)

 

 

 

Der späte Strahl der Sonne

 

versöhnt den schlimmen Tag.

 

 

 

Von weicher, warmer Wonne

 

verhöhnt, verblasst Verrat.

 

 

 

Die Vögel sind zufrieden,

 

sie hören sich selbst an.

 

 

 

Sie wollen nicht mehr fliegen,

 

die Nacht haucht kühl heran.

 

 

 

Ein schlimmer Tag vergangen,

 

ein schlimmer kommen mag:

 

 

 

Was soll jetzt Weh´ und Bangen

 

am Abend ohne Plag´?

 

 

 

 

 

 

 

Im Anfang war... der Fluch?

 

 

 

Ungefragt in das Leben geboren,

 

leidgeplagt an den Tod verloren,

 

ohne vom Leid erlöst zu werden,

 

denn befreit ist man erst nach dem Sterben.

 

 

 

Unbemerkt also bleibt das Ersehnte,

 

weiter vererbt wird das Abgelehnte.

 

 

 

Welche Schuld ist denn die Quelle

 

für den Fluch der Lebenshölle?

 

War´s im Anfang Gottes Wort,

 

wirkt´s  im Untergang nur fort?

 

War´s ein Fluch aus Gottes Mund,

 

der uns schuf; schlug er uns wund?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Bach

 

 

 

Die plätschernden Gedanken hier

 

verplaudern fast Vergess´nes.

 

 

 

Benetze, Bach, die Stirne mir,

 

bin starrr geträumt, Gewes´nes.

 

 

 

Oh wie die Zeit dein Wasser treibt,

 

das trotzdem immer Wasser bleibt:

 

So wach träumst du Vergangenheit!

 

 

 

Doch wie in stillem Wasser spiegelt

 

mein Leben mich und bleibt versiegelt!

 

 

 

 

 

 

 

Am Bach

 

 

 

Ich sitze gerne im Gras am Bach

 

und lass´ Gedankenschiffchen schwimmen.

 

Und Kindheitsträume werden wach,

 

umspül´n die Schiffchen und verrinnen.

 

 

 

Die Seele haucht ein zartes Lied

 

in meine Mundharmonika.

 

Im Zittern, das mein Herz durchzieht,

 

ist bitt´re Zukunft jetzt schon da!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Ende

 

 

 

Geboren, um gequält zu werden

 

und endlich, endlich doch zu sterben.

 

Und jeder Augenblick der Freude

 

wird umso schlimmeren Unglücks Beute.

 

 

 

Ich hass´ das Leben, diese Pest,

 

das nicht den Mut zum Selbstmord lässt.

 

Ein Leben lang nur Kummer und Qualen.

 

Ich lass´ mir das Leben nicht mehr gefallen!

 

Ich glaub´ an Gott und bitt´ ihn sehr:

 

Nur keinen Tag zum Leben mehr!

 

 

 

 

 

 

 

Am Fluss

 

 

 

Ich sitz´ am Fluss, die Sonne scheint,

 

die Augen brennen, sind verweint.

 

 

 

Im Wasser treibt die Zeit vorbei,

 

es glitzern Wellen, sind sie frei?

 

 

 

In meinem Schatten träumt der Tod.

 

Ich bitte ihn: Nimm mich ins Boot!

 

 

 

Da gleitet Sarg für Sarg vorbei.

 

Der Tod ist sicher. Bin ich frei?

 

 

 

Ich stehe auf und trotte weiter.

 

Der Schatten folgt, der Tag bleibt heiter.

 

 

 

Mich drückt das Herz, die Augen brennen,

 

und wieder kommen mir die Tränen.

 

 

 

Bin ich schon tot, ist das noch Leben?

 

Ich hab´ mich längst schon aufgegeben!

 

 

 

Kann Leben nur aus Leid bestehen?

 

Gott, schenk´ Vertrau´n im Nicht – Verstehen!

 

 

 

 

 

 

 

Am Friedhof

 

 

 

Da spricht keiner mehr,

 

und das Schweigen ist tiefer

 

als der tiefste Schmerz,

 

der noch ein Klagen zulässt.

 

Und das Geschwiegene ist höher

 

als die höchste Freude,

 

die ein Jauchzen zulässt.

 

 

 

Und wenn die Abendsonne

 

die Schatten in die Ferne zieht

 

und die Vögel nicht mehr zu verstummen scheinen,

 

scheint's, dass unsere Fragen

 

wie auf Flügeln

 

einer Nacht entgegenschweben,

 

ihre Antwortlosigkeit ersehnen,

 

die die Vögel diesen langen Schatten flöten.

 

 

 

 

 

 

 

Am Stadtrand

 

 

 

Über die Stufen klettert ein Schatten.

 

In einem Fenster blinzelt Licht.

 

Gras zwängt sich zwischen steinerne Platten.

 

Ein Wind haucht, der nach Unrat  riecht.

 

 

 

Fliegen weben Zick – Zack – Muster.

 

In der Ferne rauscht Verkehr.

 

Und es wird dir noch bewusster,

 

wie es ohne dich hier wär´:

 

genauso leer, genauso schwer,

 

ein bisschen selbstverständlicher!

 

 

 

 

 

 

 

Am Weiher

 

 

 

Im stillen Wasser

 

vergisst sich der gespielte Himmel,

 

paradiesisch.

 

 

 

Du wirfst einen Stein

 

und erinnerst mit dem Wellenspiel

 

an den Urknall:

 

 

 

„Flopp“, am Anfang das Wort

 

- du spielst Gott -,

 

kreisrunde Münder

 

wachsen sich schweigend aus

 

bis zur Stille,

 

in der sich der gespielte Himmel

 

vergisst, paradiesisch.

 

 

 

Doch du bleibst zurück!

 

 

 

 

 

 

 

Amanés II

 

(im Zeïbekiko-Takt: 9/8)

 

 

 

Du hast mit deinem warmen Blut

 

ein Spiegelbild in ihrem Traum gestrichen.

 

Nun spiegelt Eis! Und gläsern ruht

 

dein Blick – die Tränen sind ihm längst entwichen -,

 

bis er das Spiegelbild zerbricht.

 

Warst du es? Oder war es ihr Gesicht?

 

 

 

 

 

 

 

Amanés

 

 

 

Er versank in lächelnde Augen.

 

Doch bitter schmeckte der Mund.

 

Er wollte an Liebe glauben.

 

Doch schürfte sein Herz sich wund.

 

 

 

Er malte ein Herz mit Blut.

 

Und wischte es weg mit Tränen.

 

Sie trockneten in der Wut,

 

dem Todesglühen und -drängen,

 

in dem die Seelen verbrennen.

 

 

 

 

 

 

 

Amberg II

 

 

 

Alles ist in allem

 

und trägt seinen Sinn

 

in sich selbst.

 

 

 

Hoch über Amberg

 

am Philosophenweg

 

fesselt die Stadt

 

den Blick der Spaziergänger.

 

 

 

Denn den Himmel

 

haben die Jets

 

kreuz und quer

 

einfach durchgestrichen.

 

 

 

 

 

 

 

Amberger Szenen

 

 

 

Die Stille hat man endgültig in den Tod verbannt.

 

Dauergewitter am durchgestrichenen Himmel!

 

 

 

Der Sepp mit dem Einrad,

 

Weltenbummler und Presseliebling,

 

kam plötzlich im Rollstuhl daher.

 

Und dann,

 

immer noch als Paradiesvogel gewandet,

 

saß er im Straßencafé

 

mit künstlichem Arm und

 

mit Schrumpftotenkopf,

 

ungegrüßt, still dem Tode geweiht.

 

Dann tot.

 

 

 

Dauergewitter am Himmel!

 

 

 

Längst gestorben auch

 

der Rucksacksepp,

 

Schreihals unter noch stillem Himmel

 

mit erhobenem Gehstock.

 

 

 

Und wer könnte heute noch

 

aus stillen Ladenpassagen

 

den Ariensänger vernehmen?

 

 

 

Still noch getrieben

 

war auch Assessor Sailer

 

unter der Last seiner Taschen.

 

 

 

Die Stille hat man endgültig in den Tod verbannt.

 

Dauergewitter am durchgestrichenen Himmel!

 

 

 

Den Fluglärm übertönt nur der Discolärmterror.

 

des alljährlichen Weihnachtsmarktes.

 

 

 

 

 

 

 

Amán

 

 

 

Weitgedehnte weiche Töne

 

Wohlklang in der Klage des Balkans

 

Langgezogenes Gestöhne

 

Schmerzlust sehnsuchtstiefen Seelenbrands

 

 

 

 

 

 

 

An der Schwelle

 

 

 

Ein Sehnen zieht

 

das Leben in den Tod.

 

Und in der Erinnerung irren

 

wandernde Wolken umher.

 

Übertreten ist das Gebot

 

des Dankes für´s tägliche Brot.

 

 

 

 

 

 

 

An der See

 

 

 

Sie schrieben

 

in die weiten Dünen

 

ihre kleinen Namen,

 

und man hat sie nie gesehen.

 

 

 

Doch im Windeswehen

 

liegt ein Ahnen,

 

ruft nach ihnen

 

Lügen.

 

 

 

 

 

 

 

An ein Kind

 

 

 

Mein Kind, du bist aus Lust gemacht,

 

und Schmerz hat dich zur Welt gebracht.

 

Hast schreiend die Geburt beklagt

 

Man hatte dich ja nicht gefragt!

 

 

 

Mein Kind, im Leben wirst du leiden,

 

wirst fragen, ohne Antwort bleiben.

 

Wirst dich an kurze Freuden klammern,

 

wirst hoffen, vor Enttäuschung jammern.

 

 

 

Wirst selbst in Lust viel Leid erzeugen

 

und letztlich dich dem Tode beugen

 

Mein Kind, verzweifele nicht am Leben!

 

So ist es uns nun mal gegeben!

 

 

 

 

 

 

 

An Gott

 

 

 

Du hast als Fremde uns gesandt

 

in diese Welt als Rätselland

 

 

 

und willst uns keine Antwort geben,

 

warum wir denn in diesem Leben

 

 

 

weit überwiegend doch nur leiden

 

und sinnlos wieder aus ihm scheiden.

 

 

 

Ich pfeife auf die Religion.

 

Erlösung brauch´ ich jetzt doch schon!

 

 

 

Ich zweifle nicht,ob´s Gott denn gibt,

 

verzweifle aber, wie er liebt!

 

 

 

 

 

 

 

An wen ?

 

 

 

Ich sehne mich heim,

 

wo ich nie war,

 

woher aber mein Schweigen ist,

 

und wohin die Liebe geflüchtet ist,

 

die ich verträumt habe.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anders II

 

 

 

Ich biete meine Hand mit aller Seele.

 

Man schlägt sie aus und fährt mir an die Kehle.

 

Ich flehe: Lasst mich bitte ich doch sein!

 

Ach stürbe ich! Man lässt mich nicht allein.

 

Ich kann nicht anders, kann nicht wie sie sein!

 

 

 

 

 

 

 

Anders

 

 

 

Ich schwimme nicht mit dem Strom.

 

Ich schwimme nicht gegen den Strom.

 

Ich sitze am Rande des Stromes

 

und träume quer über ihn hinweg.

 

 

 

Ich lasse mich nicht von der Herde treiben.

 

Ich lasse mich nicht von der Herde vertreiben.

 

Ich bin überhaupt kein Schaf

 

und lasse die Herde treiben

 

und meine Augen weiden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anekdote

 

 

 

Diploánemos von Trapezunt soll in seinem Leibe Luft in einem solchen Überfluss gehabt haben, dass diese ständig aus dem Mund und dem After entwichen sei.

 

Wegen der damit verbundenen Geräusche habe man ihn schon von weitem gehört.Ein Gespräch mit ihm sei unmöglich gewesen, da er wegen des ständigen Entweichens von Luft aus dem Mund nicht zum Sprechen gekommen sei und jede Anrede durch den Lärm der nach oben und unten entweichenden Luft übertönt worden sei. Nur das ständige und damit gleichzeitige aber auch gleich starke Entweichen der Luft in beide Richtungen habe ein Abheben oder Niederpressen des Körpers verhindert. Selbst nach dem Tode des Diploánemos sei noch tagelang Luft aus dessen Körper entwichen, so dass man mit der Bestattung habe zuwarten müssen, um eine Ansammlung der Luft im Grabe und damit eine Explosion zu verhüten.

 

 

 

Eines Tages sei Diploánemos dem Philosophen Eúnoos von Chalkedón begegnet. Dieser habe ihm -aus den obigen Gründen schriftlich - geraten, den Mund und den After mit einem Ziegendarm so fest miteinander zu verbinden, dass keine Luft entweichen könne. Die stärkere Luft aus einer der beiden Quellen werde die schwächere zurückdrängen, so dass sich in dem durch den Schlauch geschlossenen System ein Luftkreislauf entwickele. Dieser schaffe Ordnung im Leibe des Diploánemos, und wenn der Schlauch dann schnell wieder mit beiden Enden gleichzeitig vom Körper entfernt werde, werde die in diesem befindliche Luft in eine einzige Richtung vollständig ausgestoßen werden.

 

 

 

Diploánemos habe den Ratschlag befolgt, doch habe sich der Luftdruck in dem geschlossenen System aus Leib und Schlauch so stark erhöht, dass die Verbindung zur Vermeidung einer Explosion der Gedärme schleunigst wieder habe aufgehoben werden müssen.

 

 

 

Als dies dem Philosophen zu Ohren gekommen sei, habe er daraus den Schluss gezogen, dass Luft und Ideen auf den gleichen Urgrund der Windigkeit zurückzuführen sein. Weder ihm noch Diploánemos sei aufgefallen, dass der Luftausstoß aus Mund und After ja zur Aufrechterhaltung  des senkrechten Körpergleichgewichtes - wie oben bereits vermerkt -  habe gleich stark gewesen sein und daher zu einem Luftstau im geschlossenen System führen müssen, auch durch die ständig neue Entstehung von Luft. Darauf habe erst Aithérios, ein Schüler des Eúnoos, hingewiesen.

 

 

 

 

 

 

 

Anemonen

 

 

 

Niemand schafft den Wind.

 

Er schafft sich selbst und nimmt

 

die Blätter von den Bäumen.

 

 

 

Er schafft die Wasserwellen.

 

Doch niemand kann ihn zählen.

 

Er lässt uns Töne träumen.

 

 

 

Dann kommt ein kleines Kind,

 

das leise mit ihm singt,

 

und rennt, um ihn zu fangen.

 

 

 

Es lässt sich nicht verprellen,

 

ein Tüchlein soll ihn stellen.

 

Ist flatternd bald vergangen.

 

 

 

Weil wir nur Kinder sind

 

und kindisch wie der Wind,

 

lässt uns ein Atem bangen,

 

er sei als Geist gefangen.

 

 

 

Windblumen sind wir, Anemonen:

 

frühlingsflüchtig, Leichenkronen.

 

 

 

 

 

 

 

Angehen

 

 

 

Geh´ hinaus in die Natur,

 

der du nichts angehst,

 

und tröste dich über deine Sorgen

 

und dein Leid hinweg,

 

die nur dich etwas angehen!

 

 

 

Geh´ hinaus unter die Menschen

 

und frage dich,

 

warum sie sich und du dich

 

etwas angehen!

 

 

 

 

 

 

 

Anrührend

 

 

 

Im Netz der Sinnlosigkeit verfangen,

 

rudern sie hilflos mit ihren Armen

 

und wähnen sich doch immer wieder im Klaren

 

oder hoffen auf Gottes sinnloses Erbarmen.

 

 

 

 

 

 

 

Ansichtssache?

 

 

 

Selbstmord:

 

mehr als Natur, die sich selbst zerstört:

 

Sein, das nicht sein kann,

 

unumkehrbar?

 

 

 

Oder bleibt sich lediglich etwas gleich,

 

das wie alles,

 

was wir sehen,

 

nicht zugleich

 

von allen Seiten aus

 

gesehen werden kann?

 

 

 

Leben und Tod,

 

Sein und Nichtsein

 

nur Ansichtssache?

 

 

 

 

 

 

 

Antwort?

 

 

 

Aus Fenstern

 

dringen Rufe

 

auf die Straße,

 

aus Türen,

 

von Türmen

 

über die Stadt,

 

und weit übers Land

 

von den Bergen.

 

Rufe ziehen

 

über den Himmel,

 

rasen von Stadt zu Stadt

 

und von Land zu Land,

 

schießen ins All.

 

 

 

Sie würgen aus Träumen

 

und zerreißen

 

Tobende und die Stillen.

 

 

 

Rufe,

 

wie die Schreie der Neugeborenen,

 

ersticken auch in den Gräbern nicht,

 

verhallen im Dom deiner Sehnsucht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Apokalypse II

 

 

 

Die Tage werden

 

wie Spiele in den Händen

 

von Kindern.

 

Und der warme Wind

 

trägt das ernste Schweigen

 

der Toten

 

an das lärmgeplagte Ohr.

 

Unter dem Nicken

 

bewusstseinsgebündelter Köpfe

 

wachsen sich

 

die Ungeheuerlichkeiten

 

zu Unglaublichkeiten

 

aus und vermehren sich

 

zur Unerträglichkeit.

 

 

 

 

 

 

 

Apokalypse III

 

 

 

So ist der Untergang der Welt:

 

Der Himmel dröhnt, durchpflügtes Feld,

 

von Flugzeugschwärmen durchgestrichen;

 

im Schleier ist das Licht verblichen.

 

Kein Augenblick der Stelle, nein.

 

Im Tod nur ist sie, doch allein!

 

 

 

 

 

 

 

Apokalypse

 

 

 

Die Welt ist schrecklich unvollkommen.

 

Der Mensch ist böse und voll Leid.

 

Die Allmacht hat sich übernommen,

 

es macht das Nichts in ihr sich breit.

 

Der Herrgott hat sich selbst vernommen

 

und sich mit sich total entzweit.

 

Wir haben Schöpfungsmacht gewonnen

 

und sind zum Untergang bereit!

 

 

 

 

 

 

 

Apologie eines Trunkenheitsfahrers

 

 

 

Hohes Gericht,

 

 

 

es kann nicht zutreffen, dass die mir entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration aufgewiesen hat. Denn ich habe kein Blut. Das tut mir gut. Bekomme sonst Wut, da das Blut aufwallen tut, wenn man es hut, was immer das auch heißen soll.

 

 

 

Ich lehne Blut auch ab, da es mir zu rot ist. Ich bin lieber blau. Aber Alkohol liegt, äh, steht mir auch nicht. Da muss ich immer so laut drauf rülpsen. Das finden meine Zeitgenossen und -genossinnen ungehörig, obwohl sie selbst rülpsen wie die Reiher. Haben Sie schon einmal einen Reiher rülpsen hören, äh, gehört, oder wie sagt man da? Können Vögel überhaupt rülpsen? Müssen sie wohl können, sonst könnten es die Zeitgenossen und -genossinnen nicht wie die Reiher und Reiherinnen.

 

 

 

Merken Sie? Mir fehlt die Konzentrationin, äh,  die Konzentration. Woher soll also die Blutalkoholkonzentration herkommen? Von mir jedenfalls nicht, vielleicht vom Blutalkohol. Er war aber sicher nicht in mir, denn dort hätte er sich gar nicht konzentrieren können, wenn ich mich nicht einmal selbst konzentrieren kann.

 

 

 

Was wollte ich noch vorbringen?

 

 

 

Die Blutalkoholkonzentration hatte also nichts in mir zu suchen, was sollte sie dort auch verloren haben?

 

 

 

Sie ist ein Gerücht, hohes Gericht! Und wenn nicht: Dann ist sie schlicht ohne Gewicht für das Gericht. Meine Sicht, Ihre nicht?

 

 

 

 

 

 

 

Arkadien

 

 

 

Die Hirtenflöte klagt in freien Tönen,

 

um sich mit strengem Schicksal zu versöhnen.

 

 

 

Die Herde grast auf steinig-kargem Grund.

 

Es ruht verträumt der trotzdem wache Hund.

 

 

 

Und in der Höhe schwebt ein Adler frei,

 

als ob´s zum Klang der Flöte sei.

 

 

 

 

 

 

 

Armer Tropf!

 

 

 

Die Leiden nehmen überhand!

 

Du lässt dich nieder auf dem Pflaster

 

am Rand vor irgendeiner Wand.

 

Das Weiterleben ist ein Laster!

 

 

 

Passanten hasten, Kinder schrei´n,

 

die Hunde drängen an dich ´ran.

 

Du träumst und träumst in dich hinein.

 

Ein kleines Kind blickt dich groß an.

 

 

 

Die Tauben picken sich ihr Leben

 

genusslos hinter ihren Kropf.

 

Du wirst dich irgendwann erheben

 

und weiter leiden, armer Tropf!

 

 

 

 

 

 

 

Ataraxia

 

 

 

Leide nur an deinem Leid!

 

Glaubst du denn, es sei bereit,

 

deinem Leben auszuweichen?

 

Es ist doch das Lebenszeichen!

 

 

 

Von Geburt an bis zum Tod:

 

Leid ist unser täglich Brot!

 

Freude täuscht nur kurze Zeit

 

bis zum nächsten bitteren Leid.

 

 

 

Also mach dir doch nichts vor!

 

Leid kommt so und so, du Tor!

 

Willst du die Geburt beklagen?

 

Dann versuch´, dich fortzutragen!

 

 

 

Bess´res doch noch zu erleben,

 

ist der Tod nicht zu bewegen.

 

Leide weiter, nimm es hin,

 

gleich, ob mit, ob ohne Sinn!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ataraxía

 

 

 

Die Stürme lass´ nur toben!

 

Was braust du selbst noch auf?

 

Ohnmacht ist uns geboten

 

im blinden Weltenlauf.

 

Ja, lös´ nur einen Knoten!

 

Es gibt sie ja zuhauf.

 

Vernimm´ den Ruf der Toten:

 

Halt inne und verschnauf!

 

 

 

 

 

 

 

Auf den Amtsfluren und sonstwo

 

 

 

Allerorten bricht

 

- so hört sich's von ferne an -

 

der verbale Aufstand aus,

 

woimmer sich Leute begegnen

 

auf den niedrigen Hemmschwellen

 

des Ausartens der sich doch

 

als selbst - bewusst auszeichnenden

 

Spezies Mensch

 

in die nicht - funktionale Kommunikation

 

rein extrovertierter Herdengeselligkeit

 

vermittelst der für die Minderheit

 

der sogenannten Introvertierten

 

unerlernbaren Kunst,

 

sich mit jemandem zu unterhalten,

 

ohne ihm etwas zu sagen zu haben,

 

genährt vom Drang,

 

sich zu entäußern, um im anderen

 

Trost und Anerkennung zu finden,

 

und von der Regelmäßigkeit

 

Vergnügen bereitender,

 

scheinbarer Erfüllung

 

durch Höflichkeit und Schmeichelei,

 

gegründet auf der Erwartung

 

der Gegenseitigkeit, unenttäuscht in

 

brandenden Wogen schütteren Gelächters

 

aus dem erlösenden Gefühl

 

verbindender Ohnmacht

 

und kollektiver Verleugnung heraus,

 

Aufstand der Münder

 

un - artiger Selbsts,

 

so hört sich's von ferne an.

 

 

 

 

 

 

 

Auf der Anhöhe

 

 

 

Der Blick streift über dunkle Hügel.

 

Der düstere Himmel holt die Seele ein.

 

Und hättest du jetzt schwarze Flügel,

 

du fändest endlich einmal zu dir heim.

 

 

 

Ja, streif´ nur durch die finsteren Wälder!

 

Bergab, bergauf und immer ganz allein.

 

Wirst alt und fühlst dich doch nicht älter.

 

Warst immer Greis, zu müde, um zu schrei´n.

 

 

 

 

 

 

 

Auf der Flucht

 

 

 

Jetzt, wenn dich jemand sähe:

 

Du wärest da.

 

 

 

Jetzt, wenn dich jemand grüßte:

 

Du grüßtest zurück.

 

 

 

Jetzt, wenn dir jemand die Hand reichte:

 

Du nähmest sie an.

 

 

 

Jetzt, wenn du Hand an dich legtest:

 

Dich fände niemand.

 

 

 

Früher, als du im Traum lächeltest,

 

wachtest du auf.

 

 

 

Jetzt, da du wachend träumst,

 

weinst du.

 

 

 

Morgen wirst du dich im Traum

 

in den Tod schreien.

 

 

 

 

 

 

 

Auf der Schwelle

 

 

 

Ich war aus dieser Lebenshölle

 

in einem Albtraum auf der Flucht.

 

Nun sitz´ ich auf der Todesschwelle.

 

Mir schwindelt vor dem Nichts der Gruft.

 

 

 

 

 

 

 

Auf einer Bank

 

 

 

Dann setzt du dich auf eine Bank.

 

Passanten zieh´n an dir vorüber.

 

Du bist so traurig, fühlst dich krank.

 

Du senkst den Kopf und schließt die Lider.

 

 

 

Du hörst den Lärm, ein leeres Lachen.

 

Dir fällt nur immer Gleiches ein.

 

Blickst wieder auf, dich zu bewachen.

 

Denn sterben willst du ganz allein.

 

 

 

Wie oberflächlich die Gesichter,

 

die Augen über seichtem Grund!

 

Für sie sind Sterne kleine Lichter,

 

und Tränen fließen nur zum Mund.

 

 

 

Du siehst die Seele Tränen quillen,

 

die ihren Leidensdurst nicht stillen,

 

und ahnst, dass über allem throne

 

ein Gott mit einer Dornenkrone.

 

Denn Allmacht ist nicht Macht allein.

 

Auch frei zur Ohnmacht muss sie sein!

 

 

 

Gedanken bilden eine Gruft,

 

wo Leben dich gefangennimmt.

 

Der Tod lebt in der freien Luft,

 

die er dem Atemzwang wegnimmt.

 

 

 

 

 

 

 

Auf nächtlicher Straße

 

 

 

Im hellen Licht

 

ein Schattengesicht.

 

Es blickt dich wohl an,

 

doch du siehst es nicht.

 

Denn du schaust ins Licht,

 

das schwarze Gespenster

 

hervorzaubern kann.

 

 

 

 

 

 

 

Auf und Ab der Lebensneige

 

 

 

Der Abschied ist lang, ein Leben lang,

 

Sisyphos´ Hang, wieder hinauf,

 

wieder hinab. Mir ist nicht bang´,

 

solang´ mich wundert dieser Lauf.

 

 

 

 

 

 

 

„Auferstehung“

 

 

 

Wie hohl starrt Gottes Auge!

 

Wie fahl wirkt Sonnenschein!

 

Wie trügt doch jeder Glaube!

 

Wie bist du so allein!

 

 

 

Knie nieder auf den Boden!

 

Breit´ deine Arme aus!

 

Wirf deinen Kopf nach oben!

 

Schrei  all dein Leid hinaus!

 

 

 

Wisch´ deine Tränen ab!

 

Erheb´ dich von der Erde,

 

als stiegst du aus dem Grab,

 

auf dass ein Wunder werde!

 

 

 

Jetzt lass dich nicht beirren!

 

Betracht´ fortan dein Leben

 

in allen seinen Wirren,

 

als würd´s dir neu gegeben!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Augenblick II

 

 

 

Blicke lassen das Erblickte

 

unerblickte Schatten werfen

 

und brechen in den Spiegelungen

 

des Erträumten sich.

 

 

 

Und wenn sie aufeinandertreffen,

 

spiegeln sich in ihnen

 

die eigenen Schatten

 

und die fremden Träume:

 

gebrochene Stille

 

eines Augenblicks!

 

 

 

 

 

 

 

Augenblick III

 

 

 

Alle sehenden Lebewesen

 

blicken sich in die Augen,

 

wenn sie sich sehen wollen.

 

 

 

Hinter ihren Augen klaffen

 

Abgründe von Welten,

 

dieselben wie bei dir,

 

vor denen du schauderst

 

wie auch sie,

 

und vor denen du rätselst

 

wie sehr wenige,

 

und in die du dich

 

manchmal stürzt

 

wie kaum jemand,

 

unwiderstehlich angezogen,

 

weil nicht schwindelfrei,

 

oder aus Trotz gegen Ohnmacht.

 

 

 

Dann aber vermisst dich niemand,

 

und du staunst darüber,

 

dass du nicht versunken bist.

 

 

 

Sie blicken in deine Augen

 

und du in ihre,

 

um dahinter zu schauen,

 

ganz ohne Grauen!

 

 

 

 

 

 

 

Augenblick IV

 

 

 

Nur einen kurzen Wimpernschlag

 

hat uns ein Aug´ hierher geblinzelt.

 

Doch wird, was flüchtig scheinen mag,

 

von keiner Wimper ausgepinselt.

 

Der Blick ist Geist und sieht nur sich

 

und lässt sich selber nicht im Stich.

 

 

 

 

 

 

 

Augenblick V

 

 

 

Sicher ist nur eins in deinem Leben:

 

Eines Tages musst du es hergeben!

 

 

 

Dann heißt es „Jetzt!“ und du bist ganz allein.

 

Jetzt nur weißt du: Jetzt noch, da darfst du sein!

 

 

 

Räum´ der Zukunft nicht Gewissheit ein!

 

Lass die Jetzts in deine Seele rein:

 

 

 

Alles Schöne kommt dir vor wie Stunden,

 

Schlimmes ist so gut wie schon verschwunden!

 

 

 

 

 

 

 

Augenblick

 

 

 

Dein Leben hängt am Augenblick.

 

Ein unumkehrbar letzter Schritt

 

reißt dich in deinen Tod dann mit:

 

in die Arterie ein Schnitt,

 

ein Sprung, der in die Tiefe zieht...

 

Doch wer vor seinem Leben flieht,

 

das Ziel des Todes nicht mehr sieht.

 

 

 

 

 

 

 

Augenblicke I

 

 

 

Es war,

 

als wär´ es schon einmal gewesen.

 

 

 

Es war,

 

als wär´ es nur geträumt.

 

 

 

Es war,

 

als wäre es zugleich vergessen.

 

 

 

Es war,

 

als hätt´ sich´s selbst versäumt.

 

 

 

 

 

 

 

Augenblicke II

 

 

 

Lautlose Helligkeit

 

eines flimmernden Tages;

 

 

 

harte Schatten,

 

Schemen im Trance:

 

 

 

Augenblicke geträumter Erinnerung,

 

eines erinnerten Traums.

 

 

 

 

 

 

 

Augenblicke III

 

 

 

Zwei Blicke begegnen sich,

 

sie treffen sich,

 

sie weichen einander aus,

 

sie finden sich wieder,

 

lächeln,

 

sinken zu Boden,

 

fangen sich wieder,

 

starren,

 

stoßen sich zurück,

 

richten sich nach innen

 

brechen im Vorbeigehen.

 

 

 

Jeder Kopf dreht sich nach dem anderen um.

 

Er winkt.

 

Sie winkt.

 

Er gibt einen Handkuss.

 

Sie gibt einen Handkuss.

 

Sie ruft: „Schade!“

 

Sie dreht sich um.

 

Sie geht weiter.

 

Er sieht ihr nach.

 

Sie dreht sich nicht mehr um.

 

Er verliert sie aus den Augen.

 

Er denkt: „Schade!“

 

„Schade!“ wiederholt er halblaut

 

und schaut, ohne zu blicken.

 

 

 

 

 

 

 

Augenblicke ohne Stille

 

 

 

Träume deine Seele

 

über die Gedanken weit hinaus,

 

 

 

Atemzüge zähle,

 

wieviel Stille löscht ein Herzschlag aus?

 

 

 

Unendlich weit erscheint die Welt.

 

An deinem Ende haben Augenblicke nur gezählt!

 

 

 

 

 

 

 

Aus

 

 

 

Die letzten Sonnenstrahlen

 

bereiten mein Lager wie aus goldenem Stroh,

 

und der Samt der Nacht deckt mich zu

 

bis der blutige Morgenhimmel

 

meine stehengebliebene Zeit,

 

in der ich nicht mehr bin,

 

wie einen Schatten abstreift.

 

 

 

 

 

 

 

Ausgerechnet

 

 

 

Dass ich ausgerechnet

 

hier

 

und jetzt

 

und ich

 

und bin,

 

spricht

 

das für

 

oder gegen

 

einen Sinn?

 

Ich bin

 

nur

 

in meinem Sinn!

 

 

 

 

 

 

 

Am Ende

 

 

 

Man hat dich ins Leben ausgesetzt,

 

ein Leben lang gequält und verletzt,

 

und Tag für Tag hast du dich gesehnt,

 

zu sterben, doch hast du es abgelehnt,

 

den Tod dir endlich selbst zu schenken,

 

aus Angst, nicht alles zu bedenken.

 

 

 

Nicht vorstellbar ist´s, nicht zu sein.

 

Du wartest, so kommt´s von allein.

 

Du leidest weiter. Morgen schon

 

weißt du vielleicht nichts mehr davon.

 

 

 

 

 

 

 

Ausgespielt

 

 

 

Im falschen Spiel des Lebens riss

 

das Schicksal meine letzte Karte.

 

Kein Licht dringt in die Finsternis,

 

in der ich meinen Tod erwarte.

 

 

 

Die Last der schweren Träume zieht

 

mir meine müden Augenlider,

 

damit kein blinder Blick entflieht,

 

samt mir in Gottes  Tiefen nieder.

 

 

 

 

 

 

 

Ausgespielt

 

 

 

Nun hast du ausgespielt.

 

Ein Kartenhaufen liegt vor dir.

 

Dein Glas nicht nachgefüllt.

 

Ein Kreuz gekritzelt auf Papier.

 

 

 

Ganz lange nachgedacht,

 

geweint und bitterlich gelacht,

 

dich schließlich umgebracht.

 

 

 

 

 

 

 

Ausweg?

 

 

 

Die Abendsonne lässt mich Heimweh spüren.

 

Wie gerne ließ´ ich mich nach  Hause führen!

 

 

 

Ich weiß nicht, wo ich Heimat finden kann.

 

Mich lockt die Nacht, der Traum und Todeswahn.

 

 

 

Und immer wieder fall´ ich Gott zu Füßen.

 

Doch immer schlimmer lässt er mich dies büßen!

 

 

 

So drängt er mich wohl dorthin, wo ich her bin.

 

Ich kenn´ den Weg, doch find´ ich noch nicht hin.

 

 

 

 

 

 

 

Auto aus dem Nebel

 

 

 

Grauverhangene Stille

 

haucht dir filigranen Regen

 

mild ins müde Gesicht.

 

 

 

Die dunklen Äste sammeln Tränen.

 

Die bleiben lange hängen.

 

Auch deine rinnen nicht.

 

 

 

Da öffnet sich dir

 

eine lichte  Blüte entgegen.

 

Du senkst den Blick,

 

als wärst du verlegen:

 

geblendet

 

im Scheinwerferlicht.

 

 

 

 

 

 

 

Bahnstation Tod

 

 

 

Ich fuhr mit dem Zug des Lebens

 

von einer Station des Todes

 

zur anderen,

 

stieg jeweils aus und wieder ein,

 

bis ich einmal

 

nach dem Aussteigen

 

wegen Unschlüssigkeit

 

den Zug versäumte.

 

 

 

Man bietet mir jetzt alles

 

außer, zu leben.

 

 

 

So hab´ ich mir

 

den Tod nicht vorgestellt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bahnstrecke bei Hiltersdorf

 

(28.03.2005)

 

 

 

Auf Schienenpfeilen in den Nebel

 

ras´ ich an Bahnhofsruinen vorbei.

 

Signale zeigen verrostet die Regel:

 

Wahnsinn und Tod bleiben immer frei!

 

 

 

Spring´ auf die Schiene, leidende Seele!

 

Ich will und kann nicht und halte nicht an.

 

Spring´, denn es gilt für jede Stelle,

 

dass Gott uns nicht mehr leiden kann.

 

 

 

Sieh´ meine Tränen, sie sind rot.

 

Ach, grüß´ meine Lieben sanft, mein Tod!

 

Sag´ ihnen bitte, es war dieser Gott,

 

der keiner ist in dieser Not!

 

 

 

 

 

 

 

Balkanlieder

 

 

 

Die langgezogenen Gesänge

 

umschmeicheln meine wunde Seele.

 

Es ist, als ob mir diese Länge

 

der Töne für mein  Klagen fehle.

 

 

 

Sie bringen Ruhe ins Gemüt,

 

mit der ja auch die Tränen fließen,

 

und machen, um zu träumen, müd

 

und, um den Tod schon zu genießen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Balkanmusik

 

 

 

Willst du als Seele

 

ganz deinen Körper verlassen,

 

schwingen in den Wellen von Herztönen,

 

springen auf den Saiten frei gespannter Nerven,

 

Tränen von Leid und Freude

 

wie Sterne sprühen,

 

Klage schreiend in Freude taumeln,

 

wildes Kind

 

im seligen Trotz trampelnd

 

auf dem federnden Kanapee

 

gestrenger Toter?

 

 

 

Das ist die Trance der Musik des Balkans,

 

der griechische kaymós

 

im tragoúdi,

 

des rhythmós der psyché!

 

 

 

 

 

 

 

Balkanwinter

 

(Epitrapézion auf den Winter)

 

 

 

Kahle Äste,

 

die noch gestern

 

Eis getragen,

 

heute ragen,

 

Tränen tragend,

 

glitzernd dicht

 

sie ins Licht,

 

wie zum Feste

 

Lieder klagen,

 

Sitte ist.

 

 

 

 

 

 

 

Baum und Winter

 

 

 

Kahles, weit verzweigtes Geäst,

 

weißt nicht, an was du mich denken lässt!

 

Sinnbild unvollendeter Suche,

 

Äste wie Wurzeln, Eiche wie Buche!

 

Hat der Himmel die Wurzeln geschlagen,

 

ist auch umgekehrt zu fragen:

 

Können die Äste auch Wurzeln sein,

 

ragt so die Erde in den Himmel hinein?

 

 

 

 

 

 

 

Nürnberg, Bauvereinstraße

 

 

 

Straßenschlucht aus schwarzen Bauten,

 

arme Leute hier vertrauten

 

enges Leben ihnen an.

 

Gründerzeit und Kriegeswahn!

 

Tobend braust Verkehr vorbei.

 

Tiefer Schatten stummer Schrei

 

trübt die hohen  Sonnenwinkel.

 

Fenster blitzen dort im Schwindel,

 

doch aus jedem dunklen Fenster

 

lehnen noch, wie einst, Gespenster.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Befreiend

 

 

 

Die Sonne ist die Hölle.

 

Doch lächelt uns ihr Schein.

 

Die Finsternis ist Quelle

 

der Wahrnehmung von Sein.

 

Im All gibt’s keine Stelle,

 

die lichter könnte sein

 

als Sehnsucht nach der Schwelle

 

zu uns, uns zu befrei´n

 

aus dem Gefängnis des Ich.

 

Es gibt kein Leid an sich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Begriffstutzig

 

 

 

Als er in den Raum trat,

 

wider Willen,

 

zaghaft und leise,

 

erstarrte lebhaft tönendes Getümmel

 

in erstickendem Schweigen.

 

Die Blicke prasselten

 

auf ihn ein.

 

In die Todesstille

 

flackerte ein halblautes Wort.

 

Die losbrechende Woge

 

polternden Gelächters

 

spülte dem tapfer Lächelnden

 

Schweiß auf die Stirn.

 

Unauffällig überrannte ihn

 

eine hereindrängende

 

Horte Neugieriger.

 

Auch ging die Frage

 

eines Unglückseligen unter,

 

der nichts begriffen hatte.

 

 

 

 

 

 

 

Bei Hiltersdorf

 

 

 

Am Bahndamm verfing sich ein Fetzen Sehnsucht

 

im wilden Gehölz, auf seiner Flucht

 

aus geschlossener Stirn eines Fahrgastes, flugs

 

aus offenem Fenster zielsicheren Zugs,

 

um zu träumen von einem Flug ohne Ziel.

 

Jetzt hängt er fest, bis ein Wind dies nicht will.

 

Wille macht frei, doch fängt er dich ein.

 

Freiheit heißt: sich von sich selbst befreien.

 

 

 

 

 

 

 

Belang

 

 

 

Es ist, als wär´ nichts von Belang.

 

Die Häuser starren in die Zeit.

 

Ein Hund schnauzt irgendwo entlang.

 

Die Bäume zeigen Jahreszeit.

 

 

 

Die Leute schweben in Gedanken.

 

Die Sonne spielt mit Wolken Schatten.

 

Und alle Sterne nachts umranken

 

die Träume, die die Toten hatten.

 

 

 

 

 

 

 

Belanglos

 

 

 

Betrachtet man

 

die unermessliche Anzahl von Geburten

 

seit Bestehen der Menschheit

 

und noch bis zu deren Untergang:

 

Ist es dann

 

Zufall, Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit,

 

dass meine Geburt darunter ist?

 

 

 

In jedem Fall

 

- mag ich ausgerechnet ich sein

 

oder lediglich Glied eine Geburtenkette -

 

ist sie vergleichsweise ohne Bedeutung

 

und damit auch die Frage ohne Belang.

 

 

 

Was ist nicht belanglos?

 

Alles, was ist,

 

ist letztlich lediglich,

 

weil und damit es ist

 

und damit unerheblich.

 

 

 

 

 

 

 

Bescherung

 

 

 

Die Eltern wirkten irgendwie gereizt. Wir Kinder – meine Schwester und ich – ließen uns unsere Weihnachtsstimmung nicht verderben. Vor der Bescherung trieben wir uns noch etwas im Freien vor dem Haus herum. Der Abendhimmel war golden, die Tannen im Garten silbern. Ich schob ein längliches Stück Rinde, auf das ich Tannenzapfen gelegt hatte, als Eisenbahnzug durch den Schnee, so dass er dort Schienen hinterließ.

 

Es war ein wohliges Gefühl, behelfsmäßig Eisenbahn zu spielen in der Erwartung, dass bei der Bescherung meine Modelleisenbahn mit neuen Ergänzungen aufgebaut sein würde. Meine Schwester summte ein Weihnachtslied.

 

 

 

Plötzlich knallte es seltsam aus dem Haus. Neugierig rannten wir ins Innere und dort die Treppe hinauf zur Wohnung. In der offenen Türe lehnte Vater. Wir erschraken. In seinem aschfahlen Gesicht hing ein furchterregendes, abstoßendes Grinsen. Mit höhnischer Stimme wieherte er: „Da habt ihr euere Bescherung!“, zog blitzschnell eine Pistole aus der Hosentasche, schoss sich in die Schläfe und sackte zusammen.

 

Nach der Mutter schreiend stürmten wir in die Wohnung. Sie lag regungslos, blutüberströmt neben dem Gabentisch mit seiner goldenen Tischdecke, auf der der silberbehangene Weihnachtsbaum inmitten gold- und silberverpackter Geschenke stand.

 

Wir liefen weinend und um Hilfe schreiend zu den Nachbarn.

 

 

 

Wir hassen Weihnachten, hassen Geschenke, hassen Knallgeräusche, hassen es, es gut mit uns zu meinen, hassen gereizte Stimmungen.

 

Ich hasse die Farben Gold und Silber. Einmal träumte ich, dass sich meine Eltern als Grund für ihren Tod in Gold und Silber spiegelten. Ich erlebte diesen Traum als Albtraum.

 

 

 

Längst ist mein Haar silberweiß geworden, und meine alte Haut wirkt goldgelb geledert.

 

 

 

 

 

 

 

Besinnung

 

 

 

Siehst du die Luft, von der du lebst,

 

die Hoffnung, die du hegst,

 

die Furcht, in der du bebst?

 

 

 

Doch fühlst du, was sich in dir regt,

 

die Freude, die dich pflegt,

 

das Leiden, das dich schlägt!

 

 

 

Begreifst du denn letztlich, was du denkst?

 

Besteht nur, was du kennst?

 

Ist´s so, wie du es nennst?

 

 

 

Du hörst aber doch, was in dir spricht?

 

Meist heißt es „nein“ und „nicht!“

 

Denn flackernd schweigt das Licht!

 

 

 

 

 

 

 

Besser?

 

 

 

Was klagst du, dass, was ist, nicht besser ist?

 

Es könnte doch nur besser sein!

 

Doch, weil es ist, so wie es ist,

 

steht fest: Es kann ja gar nicht besser sein!

 

 

 

 

 

 

 

Beweisfällig

 

 

 

Feiherrr Prof. Dr. von und zu der Platzmaul- Koppen rülpste laut und lang, auf offener Straße. Doch niemand – außer ihm – hörte es, da weit und breit kein anderer unterwegs war. Die meisten waren woanders unterwegs, einige waren zuhause oder sonstwo nicht unterwegs. Daher sprach er zu sich selbst: „Du Sau!“, was ebenfalls nur er selbst hörte.

 

 

 

Dieses bemerkenswerte Erlebnis erzählte er daheim seiner Frau. Sie forderte Beweise. Er wies darauf hin, dass er mangels Zeugen lediglich Indizien liefern könne, so, dass er ja auch daheim häufig laut und lang rülpse. Warum sollte er dies nicht auch in der Öffentlichkeit tun, gedankenverloren aus Gewohnheit, zumal wenn die Öffentlichkeit nicht durch Mitbürger, die Anstoß nehmen könnten, repräsentiert sei, sondern durch Menschenleere?

 

 

 

 Sie replizierte, dass er doch ab und zu, ganz selten, daheim auch nicht rülpse, und stellte die Gegenfrage, warum er das Rülpsen nicht auch in der Öffentlichkeit unterlassen haben sollte, zumal wenn er sich wie zuhause nur im vertrauten Kreise, nämlich sogar lediglich mit sich selbst, habe wähnen dürfen.

 

 

 

Nun aber forderte er Beweise dafür, dass er zuhause mitunter nicht rülpse. Sie verwies darauf, dass er zum Beispiel das angebliche Erlebnis des Rülpsens in der Öffentlichkeit ja soeben berichtet habe, statt zu rülpsen.

 

 

 

Auch dafür forderte er nachbohrend Beweise. Jetzt triumphierte sie, dass doch, wenn  nicht einmal sein Bericht über das Rülpsen zu beweisen sei, noch viel weniger, also erst recht auch nicht, das berichtete Rülpsen beweisbar sei.

 

 

 

Im Eifer des Triumphes entschlüpfte  ihr ein lauter, allerdings kurzer Rülpser. Er giftete nunmehr: „Wenn du so argumentierst, kann ich das auch!“ und rülpste ebenfalls laut, aber kurz.

 

 

 

Inzwischen war das gemeinsame Kind eingetreten und beendete die Diskussion mit dem Vorwurf: „Ihr rülpst euch an und ich darf mich nicht einmal ausrülpsen!“

 

 

 

 

 

 

 

Bewusstsein

 

 

 

Du schreist im Schlaf aus einem Traum,

 

wachst auf, befreit, dann fasst dich Grau´n

 

vor diesem Tag. Du fällst zurück

 

in tiefen Schlaf und träumst entzückt,

 

du seiest diesem Grau´n entrückt.

 

Dann wachst du wieder auf, bedrückt.

 

So macht Bewusstsein uns verrückt!

 

 

 

 

 

 

 

Bewusstseinsselbst

 

 

 

Lebt im Wahn,

 

wer glaubt,

 

dass er im Wahn,

 

zu leben,

 

lebt?

 

 

 

 

 

 

 

Bibliopathie

 

(Erinnerung an Hilmar)

 

 

 

Wenn er sich, reifüberzogen,

 

im schäbigen Mantel,

 

wenn auch nur dem Sinne nach,

 

in den eisigen Bücherwänden spiegelt

 

und dahinter tritt,

 

hinter das Eis des gefrorenen Geistes,

 

ist er verloren

 

in den Gedankengängen

 

verschlungenen Bewusstseins

 

bis, ja, bis dieser Bibliothekar,

 

hustend im  trockenen Staube

 

des geheizten Zentralarchivs

 

mit dem Rücken der Hand,

 

mit der er bisher alles getan,

 

scheinbar prüfend,

 

ob sie sich in einer Linie befänden,

 

über vier verwitterte Bücherrücken streift:

 

Denn dann weiß sich wohl auch

 

der letzte Leser im Lande begleitet.

 

 

 

 

 

 

 

Bier beflügelt und macht schwer.

 

(Gedicht aus der Kindheit)

 

 

 

Sie saßen in fröhlicher Runde

 

zu gar schon vorgerückter Stunde.

 

Da stand jemand auf und hob sein Glas,

 

das gefüllt war mit einem köstlichen Nass,

 

und fragte die Runde: „Was ist das hier?“

 

und gab gleich die Antwort: „Ein Glas Bier.“

 

Darauf leerte er es in einem Zug.

 

Und wieder er es in die Höhe hob

 

und fragte die Runde: „Und was ist hier das?“

 

und gab gleich die Antwort: „Ein Bierglas.“

 

Darauf erhob sich ein anderer vom Sitze,

 

doch er torkelte schon und brauchte Stütze.

 

Da bot sich ihm an zu guter Letzte

 

sein Stuhl, auf den er sich nun wieder setzte

 

 

 

 

 

 

 

Bilder

 

 

 

Es sind dir Bilder geblieben

 

aus überstandenen Zeiten,

 

und du wirst weitergetrieben,

 

musst immer weiterleiden.

 

 

 

Und wenn du dich niederlässt,

 

aus Trotz nicht weitergehst,

 

betrachtest du die Bilder

 

wie Todeshinweisschilder.

 

 

 

 

 

 

 

Bin ich ?

 

 

 

Ich will die Sonne nicht mehr sehen,

 

die Nacht nicht und auch keinen Traum.

 

Ich will ins Ungewisse gehen.

 

Denn schlimmer werden kann es kaum.

 

 

 

Ich war nicht und ich werd´ nicht sein.

 

Mein  Leben bild´ ich mir nur ein.

 

Denn eins sind Nichts und Sein und Schein,

 

ist Raumzeitlosigkeit allein.

 

 

 

 

 

 

 

Bitte

 

 

 

Natürlich war mir nicht nur Leid

 

in meiner Lebenszeit beschieden.

 

 

 

Doch hat mir all die Bitterkeit

 

die letzte Lebenslust vertrieben.

 

 

 

So bin ich längst zum Tod bereit.

 

O Gott, lass´ mein Vertrau´n genügen

 

in deine Allbarmherzigkeit!

 

 

 

 

 

 

 

Bivalenz

 

 

 

Der Blick einer Hundeseele

 

und das Knurren, Bellen und Beißen sind eins.

 

Der schreckliche Biss in eine Kehle

 

dient der Sanftmut zur Nahrung und Vernichtung des Feinds.

 

 

 

 

 

 

 

Blick aus dem Fenster

 

 

 

Der Tag lag lautlos hinter Glas.

 

Ein Kind zertrat den eig´nen Schatten.

 

 

 

Geduckter Hund fraß plötzlich Gras.

 

Es musste kühl sein, denn es hatten

 

 

 

verschränkt die Arme alle Frau´n.

 

Ein schönes Antlitz sah beiseite.

 

 

 

Ein Greis zergrinste einen Traum

 

und blickte stampfend in die Weite.

 

 

 

 

 

 

 

Blick in den Weiher

 

 

 

In den Schatten des Todes

 

reißen zitternde Münder

 

ihr Lächeln,

 

und aus ihnen quillt sanft

 

das Wasser der Stille,

 

das sie erstickt.

 

Speichelnd bilden sich Blasen

 

und platzen blind.

 

 

 

 

 

 

 

Blick zurück

 

 

 

Aus einer Menschenmenge ruht ein Blick auf dir.

 

Du fängst ihn noch, ein Augenblick; es blicken vier.

 

Dann ist das Engelsantlitz ewiglich verschwunden.

 

Du sehnst dich, sinnst; aus Augenblicken werden Stunden.

 

 

 

 

 

 

 

Blicke II

 

 

 

Male das Muster aller Blicke

 

eines beliebigen Augenblicks!

 

Es wird sich über die Finger winden,

 

du wirst innehalten und es seltsam finden,

 

wirst aus dem trockenen Munde stinken.

 

Und nur das Letztere ist ein Witz!

 

 

 

 

 

 

 

Blicke

 

 

 

Der Weg führt dich durch dunkle Wälder,

 

bald steigt er an, dann wieder fällt er.

 

Du blickst nach oben, Wipfel nicken.

 

Es rauscht, und tausend Augen blicken

 

zurück. Du senkst den Blick. Es wiegt

 

dein Schritt die Seele, bis sie fliegt.

 

 

 

 

 

 

 

Blues II

 

 

 

Die Blätter wiegen sich im Wind.

 

Ja sind sie denn dafür bestimmt?

 

 

 

Sie würden brechen, wär´n sie starr.

 

Und ich bleib´ traurig, oh ich Narr!

 

 

 

 

 

 

 

Blues

 

 

 

Erwacht aus dem Traum vom blauen Paradies,

 

halte ich eine blaue Blume in der Hand,

 

die ich gepflückt hatte, bevor ich einschlief,

 

und blicke in der Blumenwiese darniederliegend

 

in den blauen Himmel,

 

hundertfach durchgestrichen

 

von hundert donnergrollend

 

erfüllten Träumen vom Fliegen.

 

 

 

Nur fliegend gelangst du

 

ins blaue Traumparadies

 

und träumend vom ungezeichneten Himmel,

 

dessen Schattenspiegel

 

du zerkratzt siehst!

 

 

 

 

 

 

 

Blume und Kind

 

 

 

Die Sonne lacht in Blüten.

 

Des Regens Tränen steigen auf im Stiel.

 

Die Blume ist´s zufrieden,

 

verwelkt im Traum vom Falterspiel.

 

 

 

Ein Kind lässt seine Blicke

 

auf der verwelkten Blume lange ruh´n

 

und flüstert seine Bitte:

 

„Lass dich in eine Vase tun!“

 

 

 

Von Kindeshand umfasst,

 

verträumt die Blume allerletztes Leben.

 

Doch ohne jede Hast

 

will sie das Kind ins Wasser geben

 

 

 

 

 

 

 

Blumengedicht

 

 

 

Stumm streckt ein Kind mir eine Blume hin.

 

Ich sage Dank und will es etwas fragen.

 

Da rennt es weg, es will mir wohl nichts sagen.

 

Mir kommt auch keine Frage in den Sinn.

 

 

 

Die Blume welkt sehr schnell in meiner Hand.

 

Ich will sie trotzdem bis nach Hause tragen.

 

Was wollte ich das kleine Kind nur fragen?

 

Die Blume faltet ihren Blütenrand.

 

 

 

Daheim im Wasser richtet sie sich auf.

 

Ich seh´ sie wieder erst nach vielen Tagen.

 

Was wollte ich das kleine Kind denn fragen?

 

Das Stückchen Blumenheu leer´ ich jetzt aus.

 

 

 

 

 

 

 

Blutiger Tod

 

 

 

Sicher ist nur der Tod,

 

nicht, was er mit uns macht.

 

 

 

Färbt sich der Himmel rot,

 

weist er uns Tag oder Nacht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Brechreiz

 

 

 

Plötzlich platzte

 

sein Mund und

 

der Orkan eines Rülpsers

 

ließ seine Backen flattern,

 

bevor ihm das Essen

 

aus dem Gesicht fiel.

 

 

 

 

 

 

 

Bunter Lebenstraum

 

 

 

Die Raupen, die an unseren Herzen nagen,

 

werden von deren geronnenem Blut umschlungen

 

und entschlüpfen aus diesen Kokons als Schmetterlinge,

 

setzen sich auf die Blüten unserer Fantasie,

 

und wenn diese abfallen, müde im Glanz verwelkt,

 

flattern sie weiter als Engel in den Himmel.

 

Und die welken Blüten bedecken unsere verblühten Seelen

 

wie Gedankenwolken den Himmel.

 

Bunt wie Seifenblasen

 

ist der Hauch, in dem unsere Träume

 

platzen, und sanft wie der Tod.

 

 

 

 

 

 

 

Böses Spiel

 

 

 

Ich mache euch die gute Miene.

 

Und ihr macht mir das böse Spiel.

 

Ich will gar nicht, dass ich gewinne.

 

Euch aber wird es nie zu viel.

 

 

 

Warum lasst ihr mich nicht allein,

 

obwohl ihr merkt: Ich will es sein?

 

 

 

 

 

 

 

Das alte Schloss

 

 

 

In den schwarzen Fenstern

 

spiegeln sich die Fragen.

 

Aus den off´nen Türen

 

leere  Räume klagen.

 

Von den Baumgespenstern

 

lange Schatten ragen.

 

Hirngespinste küren

 

aus dem Nirgends Plagen.

 

Fluchtgedanken wagen

 

fast nicht, sich zu rühren.

 

Wenn uns Tote tragen:

 

Hier sind sie zu spüren!

 

 

 

 

 

 

 

Das Beste?

 

 

 

Es ist gemein,

 

was Gott dir tut.

 

Steck´es nur ein!

 

Denn deine Wut

 

trifft dich allein:

 

Gott ist zu gut,

 

um gut zu sein!

 

Was er auch tut,

 

wägt er allein.

 

Nichts kann so gut

 

erwogen sein!

 

Denn alles ruht

 

in ihm allein.

 

Was er auch tut,

 

kann besser nicht sein!

 

 

 

 

 

 

 

Das Böse

 

 

 

Die Sträucher, Bäume voll Gefieder!

 

Die Vögel zwitschern ihre Lieder.

 

 

 

Sie fliegen auf, kommst du heran.

 

Die Angst bestimmt die Lebensbahn.

 

 

 

Das Böse ist der Herr der Welt.

 

Wie dumm ist der, dem sie gefällt!

 

 

 

Die Vogellieder sind nicht heiter:

 

Sie schützen das Revier, nichts weiter!

 

 

 

Das Leben ist zum Tod bereitet

 

und will ihn nicht, damit es leidet!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Fest

 

 

 

Den Hang herauf zieht Festgeruch,

 

und die Musik klingt altvertraut.

 

Ich wühle im Erinnerungsbuch,

 

es hat sich so viel angestaut!

 

 

 

Will nicht hinunter in den Ort.

 

Ins Gras geworfen, ahne ich:

 

Dort feiert jemand, spricht kein Wort,

 

und seine Blicke suchen mich.

 

 

 

Ich brech´ nun auf und sehne mich

 

nach einem Fest der Einsamkeit,

 

wo jeder, ganz allein mit sich,

 

Gedanken an Gedanken  reiht.

 

 

 

 

 

 

 

Das große Schweigen

 

 

 

Zumindest soviel ist ein Leben,

 

dass immer es einmal gewesen.

 

Wie alles, was einmal gegeben,

 

nie aus der Zeit fällt, nachzulesen

 

im Buch des Schweigens aller Reden.

 

 

 

Denn Sein und Nichtsein ist ein Schweigen,

 

und, was geschieht, wird darin bleiben.

 

 

 

 

 

 

 

Das Kind im Greis

 

 

 

Es riecht nach Laub

 

und der lichte Strauch

 

lädt dich ein,

 

hineinzukriechen.

 

 

 

Habe Eicheln geklaubt

 

und Kastanien auch.

 

Da war ich noch klein!

 

Jetzt bin ich ergraut.

 

 

 

Hab´ mir´s getraut?

 

Hab´ mich am Strauch

 

vorbeigeschlichen...

 

 

 

 

 

 

 

Das Kind im Greis

 

 

 

Dort,

 

wo wir einst Kinder waren,

 

uns ein Engel in den Schlummer wog,

 

wir im Mondeslicht den Tag verträumten

 

oder diesen kleine Wunder säumten,

 

Tränen lachend in die Wolken krochen,

 

dort

 

sinnt nun ein alter Geist

 

über modernden Ruinen,

 

die nur er im Heute sieht,

 

lassen wir uns Kinder bleiben,

 

bis wir wie sie nicht mehr sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Kind

 

 

 

Im Dunkeln sitzt ein Kind und weint.

 

Ein Engel bringt ein kleines Licht.

 

Das Kind hält inne, sieht ihn nicht,

 

so dass es wieder weiterweint.

 

 

 

Jetzt kommt ein böser Geist und spricht.

 

Das Kind hält inne, sieht ihn nicht,

 

so dass es wieder weiterweint.

 

 

 

Erst als das Licht endlich erlischt,

 

da schweigt das Kind, schläft – oder nicht?

 

 

 

 

 

 

 

Das Leben

 

 

 

Ungefragt ins Leid geboren,

 

Fragt der Mensch: warum, wozu?

 

Bis er, an den Tod verloren,

 

Ohne Antwort findet Ruh´,

 

Die nicht zur Erlösung führt,

 

Da er sie ja nicht mehr spürt!

 

 

 

 

 

 

 

Das Leben 2002

 

 

 

Die Tage werden immer greller,

 

der Himmel dröhnt, und immer schneller

 

hetzt sich in Höllenhitze das,

 

was einst als Zeit das Leben maß.

 

 

 

Die Leben werden zu Gewittern,

 

tief nur, um selbst sich zu erschüttern.

 

Die Schnauze eines Hundes streift

 

dicht über´m Boden: Sie begreift!

 

 

 

 

 

 

 

Das letzte Gedicht?

 

 

 

Wie sollen längst verwelkte Blumen wieder blühen,

 

auch wenn die Wurzeln sie noch an die Erde binden?

 

 

 

Wie lange sollen noch die letzten Funken glühen,

 

wenn sie zu schwach sind, neues Feuer zu entzünden?

 

 

 

Wie lange soll sich denn mein Abschied noch hinziehen,

 

wenn Hoffnungsschimmer nur Enttäuschungen ankünden?

 

 

 

Oh wär´ ich frei, mich selbst ums Ende zu bemühen,

 

statt Tränen nur zu schlucken, ohne zu ertrinken!

 

 

 

 

 

 

 

Das Nichts,

 

das alles nicht ist:

 

das ist's!

 

Es speit und frisst

 

das Sein:

 

speit´s aus, frisst´s rein.

 

Wir sind:

 

nicht ja, nicht nein,

 

nur blind,

 

ein Traum allein

 

von Schatten, Schein

 

des Nichts als Sein!

 

 

 

 

 

 

 

Das Positive ist´s, an dem wir leiden!

 

 

 

Warum ans Positive glauben?

 

Es setzt das Negative doch voraus!

 

Nur Freuden kann das Schicksal rauben.

 

Die Leiden bleiben bis zum Tod im Haus.

 

 

 

Such´ dir nur Hoffnung, Trost und Illusionen!

 

Es stellt sich bald Enttäuschung ein.

 

Wir leben nur in Visionen.

 

Sieh´ die Natur an: Kann sie anders sein?

 

 

 

Süß ist der Trotz, ohnmächtig die Wut.

 

Zieh´ dich in dich zurück, es tut dir gut!

 

Mit dir bist du stark, mit dir nie allein.

 

Mit dir kannst du wie die Natur ganz einfach nur sein.

 

 

 

 

 

 

 

Das positive Negative und das negierte Positive

 

 

 

Alles liegt im Nichts,

 

nichts im Alles,

 

die Ewigkeit im Augenblick,

 

kein Augenblick im Ewigen,

 

das Leben im Tod,

 

nicht der Tod im Leben!

 

 

 

 

 

 

 

Das positive Prinzip

 

 

 

Irgendwo auf der Welt

 

nickt ein Baumwipfel

 

im Wind,

 

wenn ich die Frage

 

aus dem Mund blase,

 

ob irgendwo auf der Welt

 

ein Baumwipfel

 

im Wind nickt,

 

wenn ich die Frage

 

aus dem Mund blase,

 

ob.........

 

 

 

 

 

 

 

Das Unausweichliche

 

 

 

Da gibt es keinen Trost.

 

Da gibt es keine Rettung.

 

Da gibt es nur die Zeit,

 

die Vergangenheit daraus macht!

 

 

 

 

 

 

 

Dein Engel

 

 

 

Träume dich als Engel,

 

und du kannst fliegen

 

über deinem Schatten

 

und unter den Wolken,

 

immer im Blick

 

deiner geschlossenen Augen,

 

hinter deinem Gedankenspiegel,

 

wahrhaft ein Engel,

 

den niemand sehen kann,

 

dein Engel!

 

 

 

 

 

 

 

Dementengruppe

 

 

 

Sie leben in ihrer Welt schweigender Gedanken,

 

in der unsere Welt nur aufscheint

 

wie vertraute Träume,

 

aus denen sie wimmern.

 

Jede Person eine eigene Welt,

 

aber nur wie die zitternden Sterne

 

im stummen Nichts des Universums.

 

Sie sind näher an den Toten

 

als wir in unserer Sanftmut ihnen gegenüber.

 

 

 

 

 

 

 

Denkfreiheit

 

 

 

Ich trage mit mir viel´ Gedanken

 

als Schneckenhaus, lass´ andere zanken.

 

 

 

Sie streiten, weil sie siegen müssen

 

und glauben, Wahrheiten zu wissen.

 

 

 

Ich aber pfeife auf Prämissen,

 

will meine Denkfreiheit genießen.

 

 

 

 

 

 

 

Denksportaufgabe

 

 

 

Fünf Leute gehen spazieren.

 

Der erste Leut ist eigentlich eine Leutin.

 

Dem zweiten ist das wurscht.

 

Der dritte hat Asthma, glaubt jedoch, er habe nur Verspätung.

 

Der vierte versteht die Welt nicht mehr, und

 

der fünfte ist perplex.

 

 

 

Wie reagieren angesichts dieser Sachlage die zufällig des Weges daherkommenden Cymbalisten?

 

 

 

(Lösung: Sie geben sich betont leutselig.)

 

 

 

Und ein zielstrebig dazustoßender Seelsorger?

 

 

 

(Lösung: Er geht spazoren, nicht verloren)

 

 

 

 

 

 

 

Gebet

 

 

 

Du kannst so unerbittlich grausam sein,

 

mein Gott, so bitterbös und ungerecht.

 

Ich brauche dich, doch du bist hundsgemein

 

und schweigst und quälst mich weiter, ja: erst recht,

 

je mehr ich bitte, weine, sterben will!

 

Bist du nur Wahn? Ich kann und will´s nicht glauben!

 

Nur Albtraum? Nein: Die Welt wär´ sonst zu still!

 

Sie ihrer Unfassbarkeit zu berauben,

 

das hieße: Sie wär´ nur ein simples Spiel.

 

Nein, Gott, da magst du lieber dir erlauben

 

an Unerklärlichkeit ein Viel-zu-Viel!

 

 

 

 

 

 

 

Der Arzt

 

 

 

Ein entlegenerer Weg war unvorstellbar. Und trotzdem kam ihm plötzlich ein unendlich lange erscheinender Zug von munter plaudernden Menschen entgegen.Den Blick zu Boden gesenkt, ließ er die Begegnung über sich ergehen.

 

Bis ihm die vereinzelten Blutstropfen auffielen, die zwischen den entgegenkommenden Beinen zu Boden in den Schnee fielen.

 

Widerstrebend gab er sich leutselig und fragte, ob denn hier eine Völkerwanderung unterwegs sei. Aus breit grinsenden Mündern bleckten sich ihm blutverschmierte Zahnreihen und Zungen entgegen.

 

„Wir gehen unserem Arzt entgegen“, lautete die verblüffende Antwort, die durchaus nicht ironisch klang. „Warum grüßen Sie mich dann nicht?“, fiel es ihm ein, und er wunderte sich über seine Schlagfertigkeit. „Mit diesen Mündern?“, entgegneten ihm diese Münder, und ihm kam es so vor, als blute er ebenfalls, was sich jedoch bei einer Fingerprobe nicht bestätigte.

 

Die Leute drängten weiter, auch er drängte sich weiter an ihnen vorbei auf dem schmalen Weg, bis er seine Gedanken verlor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Augenblick der Gegenwart

 

 

 

ist immer schon vorbei!

 

 

 

Alles, was ist, ist bereits vorbei.

 

Alles, was sein wird, wird bereits vorbei sein.

 

Wir leben in der Vergangenheit.

 

Und wenn wir tot sind,

 

waren wir es bereits.

 

 

 

 

 

 

 

Der Bettler

 

 

 

Der drückend schwüle Nachmittag verdüsterte sich rasch. Das nahende Blitzen und Donnern war nun auch in der betriebsamen Innenstadt zu vernehmen. Beleuchtungen und Leuchtschriften flammten auf. Die Passanten beschleunigten ihre Schritte. Spannung lag in der Luft.

 

 

 

Dann setzte plötzlich ein gewaltiger Sturm ein, wirbelte allerlei Gegenstände durch die Luft, schmetterte eine Werbewand auf das Pflaster und fegte die Straßen und Plätze menschenleer.

 

 

 

Ein Platzregen peitschte gegen die Hausfassaden, spritzte vom Boden hoch auf und ließ Sturzbäche anschwellen. Blendende Blitze zuckten hektisch, und ohrenbetäubend knallten und hallten die Donner.

 

 

 

Die Menschen hatten sich in Geschäfts- und Passageneingänge und unter die Arkaden des zentralen Platzes geflüchtet.

 

 

 

Nur ein Bettler war neben dem Eingang zur U-Bahn-Station selbstvergessen auf dem Boden sitzen geblieben, völlig allein im weiten Areal. Hasteten sonst die Menschenmengen an ihm vorbei, aus denen er nur gelegentlich die flüchtige Beachtung durch Spendierwillige fand, so kauerte er jetzt unversehens erstmals in seinem Leben im Mittelpunkt des Blickfeldes Hunderter von Leuten, die ringsum aus ihren Unterständen ihre Blicke aus Verwunderung, Neugierde und zum Zeitvertreib immer wieder auf ihn richteten. Er spielte unbeirrt auf seine Mundharmonika. Noch nie hatte er ein so großes Zuhörerpublikum!

 

 

 

Als der Sturm und auch das Gewitter nachgelassen hatten und der Regen in gleichmäßigen Strömen, aber noch so stark fiel, dass sich nur vereinzelte Wartende mit ihren Schirmen wieder auf den Weg machten, steckte er sein Musikinstrument weg, lehnte seinen Oberkörper zurück, stützte sich nach hinten mit den Armen auf dem Boden ab, hob den Kopf und sang, was er noch nie getan hatte, aus voller Kehle ein wunderschön melodisches, langgezogenes, schwermütiges Lied in seiner fremden Muttersprache. Einer der Zuhörer begann, Beifall zu klatschen. Andere schlossen sich an. Ein weiteres Lied folgte. Der Beifall wuchs. Beim dritten Lied stand der Bettler weitersingend auf, ging klitschnass im Regen langsam auf die Wartenden zu und hielt ihnen sein Blechkistchen zum Geldsammeln entgegen. Es kam Bewegung in die Reihen. Viele wichen aus, indem sie sich in den Hintergrund drängten oder weitergingen. Gar manche aber gaben Geld. Schnell war das Sammelbehältnis voll Kleingeld.

 

 

 

Der Bettler wollte es in die Jackentasche umfüllen, um singend weiterzusammeln. Da riss ihm plötzlich jemand die Blechschachtel mit den Münzen aus der Hand und lief davon. Der Bettler setzte hilfeschreiend dem Räuber nach, gab aber bald auf, da er ihn nicht einholen konnte und er keine Überunterstützung fand.

 

 

 

Zum Weitersammeln mit der offenen Hand war ihm nicht mehr zumute. Stumm schritt er langsam quer über den leeren Platz zu der Stelle, wo er gesessen war, kauerte nieder und versenkte den Kopf zwischen die Arme, mit denen er seine Kniee umschlang. In seinen Gedanken kam jemand aus dem Publikum, das sich im nachlassenden Regen auflöste, auf ihn zu und reichte ihm einen Geldschein.

 

 

 

Was hatte er denn da alles geträumt?! Er griff nach der Geldkassette neben sich, die er beim Einsatz des Regens noch geleert und verschlossen hatte, bevor er trotz des Gewittergetöses eingeschlafen war, steckte sie ein und brach auf, um seine Kleidung zu trocknen, ohne zu wissen, wo und wie. Nach wenigen Schritten verlor er endgültig das Bewusstsein.

 

 

 

 

 

 

 

Der Dutzendteich

 

(Ironeske)

 

 

 

Saß ein Mädel am Dutzendteich,

 

weinte aus sein Herz.

 

Seine Wangen waren so bleich,

 

gerötet die Augen vor Schmerz.

 

Segelt´ heran ein schmucker Knab´,

 

wollt´ mit ihm liegen in einem Grab,

 

beid´ mit gebrochenem Herz.

 

Leise raunte der Dutzendteich.

 

Das Mädel wollt´ sich ertränken.

 

Der Jüngling rettete es sogleich

 

und hielt es in seinen Händen.

 

Da schlug das Mädel die Augen auf,

 

der Knab´ küsste seine Lippen.

 

Das Mädel umringt´ ihn, lacht´ irre auf

 

und brachte das Boot zum Kippen.

 

Da schmatzt´ der Dutzendteich gierig auf,

 

doch bald wieder ruht´ er voll Tücken.

 

 

 

 

 

 

 

Der Einsiedler

 

 

 

Der bleiche Mond strahlt toten Zauber

 

in meine Eremitenklause.

 

Sein kalter Schein macht alles sauber,

 

wo ich in Staub und Ruß doch hause.

 

 

 

Mein Lager liegt an dunkler Stelle.

 

Dort wirke ich an einem Traum

 

und starre in die fahle Helle.

 

Die Tage fliehen, die Nächte kaum.

 

 

 

 

 

 

 

Der erste Schnee II

 

 

 

Dann wird es weiß.

 

Die Kinder greifen rein

 

und freu´n sich leis´,

 

bald wird Weihnachten sein.

 

 

 

Dann brüllt wer: „Scheiß!“

 

und bricht sich fast ein Bein:

 

ein bisschen Eis

 

und doch so hundsgemein!

 

 

 

Dann wird es leis´.

 

Ein alter Mann kehrt heim.

 

Sein Haar ist weiß.

 

Er weint die Nacht hinein.

 

 

 

 

 

 

 

Der erste Schnee

 

 

 

Tage, fahl wie Asche, grau´n.

 

Vor dem Fenster fault das Jahr.

 

Drinnen blickt gedankenstarr

 

ödes Aug´ aus totem Raum.

 

 

 

Sonnenstrahl durch Nebelschaum

 

gleitet sanft wie Engelshaar,

 

flüchtig, wie das Leben war,

 

über müdes Felderbraun.

 

 

 

Flügel, leicht gewirkt aus Traum,

 

winzig wie zerblas´ne Tränen,

 

schweben körperlos, nur Flaum,

 

tragen nichts als bloßes Sehnen.

 

 

 

 

 

 

 

Der Jurist

 

 

 

Den ersten prägenden Eindruck von der Pedanterie eines Juristen hatte ich in meiner Jugend in den fünfziger Jahren vermittelt bekommen, Jahre bevor ich meinen unschuldigen Glauben verloren hatte, mir könnte ein solcher Beruf einmal erspart bleiben.

 

 

 

Der Vater meiner Mutter stammte aus einer traditionellen Juristenfamilie, und so hatte sich über dessen Tod hinaus und über verschiedene Umzüge hinweg eine Bekanntschaft meiner Oma zur Frau eines gewissen (Oberlandesgerichts-) Senatspräsidenten i.R. Dr. Wagner gehalten. Irgendwie wurden wir Kinder, d.h. meine Schwester und ich, einmal zu einem Besuch bei diesem hochrangigen ehemaligen Richter von meiner Oma mitgeschleppt.

 

 

 

Im kleinen Garten eines bescheidenen Anwesens in der Nürnberger Gartenstadt war der Kaffeetisch gedeckt. Torten und Kuchen kamen zur Verteilung. Schüchtern begannen wir Kinder, an unserem Stück herumzugabeln. Der Hausherr trug, wie sich noch herausstellen sollte, ein Gebiss. Das musste noch kein Unglück bedeuten. Unglücklicherweise war jedoch just zu dieser Zeit der Franc ab- oder aufgewertet worden - das weiß ich nicht mehr so genau, weil ich es eh´ nicht begriff. Offenbar weil seine Frau den Kuchen angeschnitten hatte, wollte der Gebissträger nicht zurückstehen und schnitt seinerseits das Thema Franc an. Jedes Mal, wenn er den ersten Buchstaben dieses Wortes durch die künstlichen Zahnreihen stieß, sprühte aus seinem Mund eine Fontäne aus nassen Kuchenkrümeln über den Tisch und vor allem auf unsere Kuchenstücke.

 

 

 

Wir empfanden die fremden Mundergüsse nicht gerade als Labsal und stocherten daher nicht mehr aus Schüchternheit, sondern aus purem Ekel an den benetzten Backerzeugnissen herum. Als wohlerzogene Kinder durften wir sie nicht stehen lassen. So bemühten wir uns, im anstrengenden Wechsel unauffällig bald die Hand schützend über das kredrenzte Gebäckstück zu halten, bald die Ober- und Seitenflächen mit der Gabel abzukratzen und diese an der Serviette zu reinigen, bald die so freigelegten Teile mit dem Kakaolöffel aufzuessen, bald kleinere Brocken unter dem Tisch und größere im Taschentuch verschwinden zu lassen.

 

 

 

Unser geringer Appetit löste bald große Verwunderung bei der Dame des Hauses aus. Das finde man doch selten bei Kindern; ob es uns denn nicht schmeckte, und wir bräuchten uns doch nicht genieren, zuzugreifen. Endlich also ein Themenwechsel!

 

 

 

Der Gastgeber sah seinen hochgeistigen Monolog unterbrochen und fand Zeit, hinunterzuschlucken und seinen Teller zu leeren. Mit freiem Mund – wenn auch nicht ohne Gebiss – wandte er sich nun jovial den ins Gespräch gebrachten Kindern zu. Zufrieden lehnte er sich hinter seinen Bauch zurück und klemmte die Daumen unter seine Gummihosenträger. “So, so!“, begann er und ließ die Hosenträger schnalzen. „Aha, du gehst ins Gymnasium!“ Dabei nickte er mir versonnen zu. Ja, ja, also Deutsch sei sein Lieblingsfach gewesen. Da habe er auch einen Buchpreis für den besten Abituraufsatz bekommen, einen Goethe-Band. Unter den gestellten „Absolutorialthemata“ habe er das Thema: „Was bringt und was nimmt uns der Winter ?“ bearbeitet und eine ganze Menge klassischer Zitate unterbringen können. „Wie sagt nicht der Lateiner?“ Klatsch! Seine flache Hand landete auf der Stirnglatze. „Rem tene,verba sequentur -  Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! Das stammt vom alten Cato, dem Älteren.“  „Rülps!“ dachte ich bei mir.

 

 

 

Die Frauen waren wieder in andächtiges Schweigen gesunken.

 

 

 

Was das alles mit Pedanterie zu tun hat? Noch nichts.

 

 

 

Aber irgendwann bot sich mir endlich die Gelegenheit, das Klo aufzusuchen, um mein kuchenhaltiges Taschentuch auszuleeren und eventuell meinen noch nicht verdauten Ekel aus dem Magen zu kippen.

 

Neben der Kloschüssel war ein riesiger Monatskalender aufgehängt, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog, weil er dicht übersät war mit handschriftlichen Eintragungen. Fein säuberlich gruppierten sich um jede Tagesangabe kleine Notizen. Ich begann zu lesen. Akribisch war da festgehalten: „9:15 Uhr: weich, dick, hellbraun, schneckenförmig ,16 cm breit, 8 cm hoch“. „20:40 Uhr: hart, dunkelbraun, 2 Knollen, dick, kurz, 1 dünner Streifen, 11 cm“. Oder: „8:50 Uhr: breiig, grün – gelblich, beißender Geruch, 21 Spritzer.“

 

 

 

Tief beeindruckt von so viel Spritzigkeit eines trockenen Juristen – sprühend nach vorne und nach hinten – kehrte ich zum Ort der ersteren Ergüsse zurück und getraute mich nicht zu fragen, was denn nicht der Lateiner dazu sagt.

 

 

 

 

 

 

 

Der King

 

 

 

Am grauen Nachmittag

 

zur toten Zeit

 

im Leerlauf

 

von Büro und Handel

 

ziehen sie schweigend

 

in Kähnen

 

durch die verschwommenen Straßen.

 

Und in der Langeweile

 

der öden Passage

 

vergiften sich

 

die Alltagsgedanken.

 

Irgendeiner

 

- wer weiß, wo er hergekommen ist -

 

trägt ein Szepter

 

in der Hand.

 

 

 

 

 

 

 

Der Kollegenkreis stirbt weg

 

 

 

War da etwas?

 

Nein, es war nichts

 

und war auch nie etwas gewesen!

 

 

 

Und wenn du glaubst,

 

noch gebe es dich,

 

so bist du bald schon ganz vergessen.

 

 

 

Berühmte, ja,

 

vergisst man nicht,

 

doch sind sie dafür nicht gewesen.

 

 

 

Der Teufel los

 

wird morgen sein!

 

Das kümmert bloß kein altes Schwein!

 

 

 

 

 

 

 

Der Kreis der Greise

 

 

 

In den Gassen des Marktes herrschte dichtes Menschengedränge. Plötzlich tauchte vor mir ein Greis mit kahlem Kopf und langem weißen Bart auf. Ich versuchte, mich an ihm rechts vorbeizudrängen. Doch da stand unvermittelt ein weiterer Greis gleichen Aussehens vor mir da. „Na so was!“, dachte ich und versuchte nun, an diesem rechts vorbeizugelangen. Schon schob sich jedoch ein dritter auf Tuchfühlung vor mich. Jetzt bemerkte ich auch rechts von diesem einen weiteren Greis, der wie die anderen aussah. Ich schaute noch weiter nach rechts, drehte mich nach links: überall diese Gestalten, die mich offenbar umzingelt hatten; da brauchte ich mich zur Bestätigung gar nicht mehr noch weiter umzudrehen, so klar war das!

 

 

 

„Ja, was ist denn jetzt los?!“, röhrte ich jovial, denn auch ich war nicht mehr der Jüngste und fand die Situation daher ironesk. Der Kreis der Greise antwortete mit einem grabtiefen Gelächter, das auch hinter mir ertönte und die Umkreisung, auf deren optische Überprüfung ich verzichtet hatte, akustisch bestätigte. Es unterschied sich vom homerischen der Götter wohl nur dadurch, dass es wieder erlosch. Der direkt vor mir exakt bis zu meiner Höhe aufragende Alte trompetete mir ins Gesicht, so dass mich sein Mundgestank umgeworfen hätte, hätte ich noch Platz zum Umfallen gehabt: „Jetzt müssen Sie fliegen, wenn sie weiterkommen wollen!“

 

 

 

Das Geschehen erregte Aufsehen, wie ich an den Gesichtern ablas, die sich zwischen den Köpfen der Greise über deren Schultern zeigten.

 

 

 

Der mich anstinkende Atem tönte in priesterlichem Duktus fort: „Wir wollen Ihnen nur zu bedenken geben: Es ist kein Raum mehr für Sie auf Erden, es ist Zeit zum Sterben!“ Und wie zum Trost fügte der Sprecher noch hinzu: „Ist ja eine Art des Fliegens.“

 

 

 

Daraufhin erhob sich ein eher schütteres Gelächter unter den Greisen. Ich verspürte einen kurzen Stich hinten im Hals, und schon war der Spuk vorbei: kein Greis mehr zu sehen! Sofort griff ich an die Stelle, wo ich den stechenden Schmerz empfunden hatte. Doch ich ertastete keine Wunde, kein Blut befleckte meine suchenden Finger. Dann sah ich nach meiner Geldbörse. Auch sie war samt Inhalt unberührt geblieben. Also kein Raub unter einem Ablenkungsmanöver, der der seltsamen Bedrängnis durch die Greise hätte Sinn verleihen können. Und der Stich? Wohl nur Nebensache. Oder eine Giftspritze zur Erfüllung der seltsamen Todesprophezeiung? Aber welchen Sinn sollte meine Tötung haben? Warum die Prophezeiung?

 

 

 

Sie ging mir sehr nach, ließ mich nicht mehr los. Ich durchsuchte das Marktgewühle kreuz und quer nach den auffälligen Greisen, um sie zur Rede zu stellen. Vergebens.

 

 

 

Schon ihre Vielzahl war rätselhaft, erst recht ihr Auftritt und ihr Gebaren mir gegenüber, ihr plötzliches Verschwinden, geradezu mysteriös ihre Worte, dieser spurenlose Stich. Sie hatten mich gezielt eingekesselt und mir meinen nahen Tod zu bedenken gegeben, ohne mich zu kennen. Ein makaberer Scherz eines Zirkels origineller Köpfe? Nein, dazu wirkten diese Akteure viel zu unverstellt. Eine religiöse Sekte? Dazu war ihre Aussage zu profan und lakonisch trotz des priesterlichen Tonfalles.

 

 

 

Ich habe all dies aufgeschrieben am Tag danach. Falls die Geschichte hier endet, hat sich die Prophezeiung der Greise in nächster Zeit erfüllt, obwohl die Nichterfüllung keinen weiteren Stoff mehr für die Fortführung dieses Berichtes bieten würde, aber Anlass zur Mitteilung, die im Falle der Erfüllung ausscheidet.

 

 

 

PS: Mir ist, als flöge ich....

 

 

 

 

 

 

 

Der letzte Augenblick

 

 

 

Dann kommt der Augenblick,

 

der Augenblick für dich allein.

 

Nur du erfährst es

 

oder nicht:

 

Ist Totsein auch ein Sein?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der letzte Augenblick

 

 

 

Es ist, als wäre nichts geschehen.

 

Die Sonne scheint ins Zimmer.

 

Es blieben nicht die Uhren stehen.

 

Und draußen lärmt´s wie immer.

 

 

 

Und doch: Ich kann jetzt nicht mehr sehen

 

den kleinsten Hoffnungsschimmer.

 

Der Tod ruft, mit ihm mitzugehen:

 

Es gehe nicht mehr schlimmer.

 

 

 

Ich denk an Gott. Ihn anzuflehen,

 

wär´ jetzt nur noch Gewimmmer.

 

Längst abgewandt, sich umzusehen,

 

erweicht er sich doch nimmer.

 

 

 

Vergib´ mir, Gott, dass ich jetzt tu´,

 

was ich nicht soll, gedrängt dazu.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Mensch

 

 

 

Aus einem verwehten Traum gefallen

 

in den Wahn,

 

um zu fragen

 

und ohne Antworten

 

im Nichts zu erwachen,

 

wie niemals gewesen sein,

 

auch nicht im Traum und Wahn

 

und auch nicht nicht,

 

wie wenn sich in der Finsternis

 

zwei Spiegel gegenseitig spiegeln.

 

 

 

 

 

 

 

Der Mensch

 

 

 

Er bat um trockenes Brot und Wasser.

 

Als Antwort schlug die Türe zu.

 

Er ging von Haus zu Haus. Dann aß er

 

und trank im Wahn der letzten Ruh´.

 

Von ferne sah man dabei zu

 

und warf die Leiche dann ins Wasser.

 

 

 

 

 

 

 

Der Mensch

 

 

 

Die Welt ist viel zu brutal.

 

Die Welt ist viel zu verlogen.

 

Die Dummheit ist radikal.

 

Sie hat den Menschen betrogen.

 

 

 

Und wird ihn weiter betrügen.

 

Er will nur das Gute sehen

 

und wird sich auch weiter hüten,

 

bewusst durchs Leben zu gehen.

 

 

 

Das Streben nach Glück macht blind

 

und stumpf und stur und hart.

 

Die wenigen Denkenden sind

 

Geschlagene dieser Art.

 

 

 

Der Mensch ist das einzige Wesen,

 

das lebt, um sich selbst zu schaden.

 

Er ist ein Fehler gewesen:

 

der Evolution missraten.

 

 

 

Ich wollte, die Menschheit käme

 

ganz schnell und schmerzlos um.

 

Das Universum nähme

 

das sicherlich nicht krumm!

 

 

Der Richter

 

 

Durch lange Flure kreuz und quer,

 

da hetzt ein schwarzer Herr daher,

 

 

 

hat viele Bücher unter´m Arm

 

ans Herz gedrückt, das schlägt Alarm.

 

 

 

Eilt Treppen runter, Treppen rauf,

 

ein kurzer Gruß und viel Geschnauf,

 

stößt Türen, aber selbst nicht auf.

 

 

 

Er schlägt die Türen wieder zu,

 

und auf den Fliesen quietscht sein Schuh.

 

 

 

Und plötzlich vor einem Portal,

 

da wimmeln Leute ohne Zahl.

 

 

 

Der Schwarze bremst nun seinen Trab,

 

biegt in ein Nebenzimmer ab.

 

 

 

Ein Glockenzeichen ertönt schrill,

 

vor dem Portal wird es jetzt still.

 

 

 

Vor einer Innentüre steht

 

der Schwarze mit dem Buchpaket.

 

 

 

Die freie Hand zur Klinke greift,

 

ein Seufzer durch die Lunge pfeift:

 

 

 

„Es wird zu überstehen sein!“

 

Dann tritt er ohne Klopfen ein.

 

 

 

Im Saal sind lauter ernste Mienen

 

auf ihn gerichtet, er soll bringen

 

 

 

als Richter in ein Dunkel Licht,

 

so schwarz er auch gekleidet ist.

 

 

 

Wie soll ihm das denn nur gelingen?

 

Er weiß es nicht und kommt ins Sinnen.

 

 

 

„ Grüß Gott, ich bitte Platz zu nehmen!“

 

Als würde er sich danach sehnen!

 

 

 

Er schlägt die Akten auf und stiert

 

und fragt sich, was daraus wohl wird.

 

 

 

Als wär´s ihm plötzlich eingefallen,

 

lässt er die Stimme kräftig schallen:

 

 

 

„ Die Sitzung ist eröffnet!“ So!

 

Es folgt das Dreschen von viel Stroh!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Ruf

 

 

 

Irgendwo,

 

weit draußen,

 

hörst du einen Ruf.

 

 

 

Du rufst zurück

 

und hörst

 

nur dein Echo,

 

als wär's

 

der Ruf gewesen.

 

 

 

 

 

 

 

Der Schiedsrichter

 

 

 

Es werden die Tage von den Nächten

 

und die Nächte von den Tagen besiegt,

 

ewige Verlierer!

 

 

 

Und die Nächte besiegen die Tage

 

und die Tage der Nächte,

 

ewige Sieger!

 

 

 

Dort drüben am Lattenzaun

 

streift ein Dackel entlang

 

durch Licht und Schatten,

 

die Schnauze dicht am Boden,

 

riecht beides nicht.

 

 

 

Und wäre er hell,

 

hätte er Zebrastreifen

 

am Körper.

 

 

 

 

 

 

 

Der Schierlingsbecher

 

 

 

Die Welt,

 

Königin der Kelche,

 

bitteres Gift

 

der trunkenen Toten:

 

Welche

 

gelobte List!

 

Und du bist

 

Schrei,

 

blutspeiend

 

im Toben.

 

 

 

 

 

 

 

Der Schlaf

 

 

 

Ich lass vom Schlaf mich von mir weg

 

in willenlose Wirrnis tragen.

 

 

 

Er trägt mich über´n Todessteg,

 

der jeweils zwischen allen Tagen

 

gespannt ist, bis die Tage wanken.

 

 

 

 

 

 

 

Der Schweigsame

 

 

 

Ihr spracht und spracht.

 

Und es war nicht nötig.

 

Er aber kam

 

vor lauter Schweigen

 

nicht zum Reden.

 

Nicht dass er es

 

für nötig befand.

 

Aber ihr hättet ihn

 

sonst nicht gerichtet.

 

Vielleicht sogar

 

geschwiegen.

 

 

 

 

 

 

 

Der Selbstmörder

 

 

 

„Wo finde ich noch Platz

 

außer im Grab?“

 

fragte er sich und notierte

 

auf einen Abschiedszettel:

 

„Mein Tod war ein Geburtsfehler.“

 

 

 

 

 

 

 

Der Stadtstreicher

 

 

 

gefressen aus Tonnen

 

in der Ecke geknäuelt

 

von Stumpfsinn benommen

 

ohne Tränen geheult

 

in die Luft gesponnen

 

ins Grab gegräuelt

 

in die Leute geschwommen

 

von Beinen umsäult

 

zerschlissen, verkommen

 

zusammengebeult

 

 

 

 

 

 

 

Der Sänger

 

 

 

Es schweigt, was ich bin.

 

Es flüstert, was ich soll.

 

Es murmelt, was ich denke und will.

 

Es spricht, was ich tue und unterlasse.

 

Es schreit, was ich fühle, fürchte und ersehne.

 

Und es singt, was ich lasse.

 

 

 

 

 

 

 

Der Teufel

 

 

 

Der unzufriedene König sandte drei Heere aus, den Teufel zu finden und zu töten. Der Führer des ersten Heeres fragte im entlegensten Kloster des Landes und erhielt zur Antwort, dass der Teufel im Herzen des Menschen sei. Der Führer des zweiten Heeres fragte den Gelehrtesten  im Lande und erhielt zur Antwort, dass der Teufel im Gehirn des Menschen sei.Der Führer des dritten Heeres schickte Späher durch die Nächte und erhielt Bericht, dass ein Hirte dem König den Teufel zeigen könne.

 

Als dem König von den eingezogenen  Auskünften berichtet war, ließ er den Hirten zu sich kommen. Dieser bestand darauf, den König in sternklarer Nacht zu treffen. Als diese Bedingung erfüllt war, führte der König, begleitet von den drei Heeresführern, den Hirten hoch auf die Zinnen seines Palastes und drohte ihm, ihn hinabstürzen zu lassen, falls er ihn narre.

 

Der Hirte bat den König, das Helle am Himmel zu schauen. „Die Sterne?“ fragte der König verwundert. “Ja, sind sie nicht göttlich?“ „ Sehr wohl, doch ich suche nicht Gott, sondern den Teufel!“ erwiderte der König ungehalten. „ Und, bitte, schaut nun das Dunkle!“, beeilte sich der Hirte fortzufahren. „Ich seh´ es wohl, es ist die Nacht, die dich für immer wird umgeben, falls du mir nicht den Teufel zeigst!“ drohte der König grimmig. „ Es IST der Teufel, der Widerspruch, ohne den es nicht die Sterne, nicht die Tage, das Gute letztlich auch nicht gäbe.“ „Ha!“, schrie der König in die Nacht: „Man töte mir das Herz, man töte mein Gehirn: Der Finsternis des Todes soll mein Leben ich verdanken?!“

 

„Noch eines“, beschwichtigte ihn der Hirte: „Lasst bitte einen Becher guten Weins Euch bringen!“ „Den brauch´ ich wohl, bevor du stürzest über diese Zinnen!“

 

Als den König der Wein gereicht ward, sprach der Hirte weiter: „Der Wein ist gut, weil es auch schlechten gibt. Und wär´ der Tod nicht, hättet Ihr nicht DIESES Leben. Und gäb´s den Teufel nicht bei uns in Herz und Hirn, wir könnten Gott nicht ahnen, er hätte keinen Sinn. Denn er ist nichts und alles und beides nicht, Gott eben!“

 

Der König ward nun still geworden. Dann seufzt´ er: „Gebt ihm einen Orden!“ Nicht Gott, dem Hirten hat man ihn gegeben. So wollt´s der König wohl, der guten Rede wegen. „Den Teufel“, dachte er verlegen, „kann ich wohl nur in mir erlegen!“

 

 

 

 

 

 

 

Der Traum

 

 

 

Du schaust in die Welt

 

wie in einen kalten Spiegel.

 

Dein Atem beschlägt ihn.

 

Du wischt mit dem Handrücken darüber

 

und siehst nur dich selbst,

 

schließt die Augen

 

und träumst,

 

bis du entschläfst,

 

ohne Traum,

 

und dir der Spiegel aus der Hand fällt

 

und zerbricht

 

in 1000 Schatten,

 

wie Du es geträumt hast,

 

wie Du geträumt worden bist,

 

wie du geträumt wirst

 

vom zeitlosen Schweigen,

 

in dem deine Worte lachen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Traum

 

 

 

Irgendjemand hatte seinen Traum

 

von einem kleinen Glück

 

-enttäuscht oder entrückt -

 

losgelassen.

 

Der flitzte suchend durch die Straßen

 

und schwebte irrend durch den Raum.

 

 

 

Bevor er sich jedoch verlor

 

in der Unendlichkeit als Schaum,

 

da kehrte er zurück,

 

etwas bedrückt,

 

doch unvergessen

 

im Kopf, wo er gesessen.

 

 

 

Der war jetzt ganz beglückt,

 

von einem ausgeträumten Traum

 

besessen!

 

 

 

 

 

 

 

Der Weg

 

 

 

Wenn du weißt,

 

dass der Weg weicht

 

wenn du daherkommst;

 

dass die Strecke steigt,

 

wenn du daherkommst;

 

dass sich Gestrüpp neigt,

 

wenn du daherkommst;

 

dass sich Schlamm zeigt,

 

wenn du daherkommst;

 

dass die Zeit nicht reicht,

 

wenn du daherkommst;

 

dass ein Mensch erbleicht,

 

wenn du daherkommst;

 

dass er die Nase streicht,

 

wenn du daherkommst;

 

dass er grußlos schweigt,

 

wenn du daherkommst;

 

dass er dir gleicht,

 

wenn du daherkommt:

 

 

 

Dann nimm es leicht,

 

dass du nicht hinkommst!

 

 

 

 

 

 

 

Deus absconditus

 

 

 

Gott lässt uns ihn vermissen

 

und so uns von ihm wissen.

 

 

 

Vermissten wir ihn nicht,

 

dann wär´n wir blind vor Licht.

 

 

 

 

 

 

 

Deutlich

 

 

 

Es fällt der Tod mir immer öfter ein.

 

Ich wünsch´ und spür´ ihn gar, so oft ich wein´.

 

Und oft, zu oft, bricht´s über mich herein.

 

Ich seh´n mich immer mehr, allein zu sein.

 

Und leb´ nach außen nur zum bloßen Schein.

 

 

 

 

 

 

 

Dezember 05

 

 

 

Schneeflocken träumen sich sanft hinab,

 

taumelnd in tiefe Erinnerung.

 

So sank kindliche Seele ins Grab,

 

weiß gekleidet im tänzelnden Schwung,

 

Hauch gefrorener Tränen, und lag

 

licht, und im Sarg ist längst ein Sprung.

 

 

 

 

 

 

 

Dezember 06

 

 

 

Tief strahlt die verlorene Wintersonne.

 

Wehmut senkt sich auf tote Flur.

 

Kahles Geäst wirft Dornenkrone

 

schattig zu Boden. Und ein Schwur

 

wird Fluch aus unsichtbarem Mund,

 

verflüstert sich im Atemreif.

 

Der Nebel steigt vor dunklem Grund.

 

Die Flieger zeichnen Schweif um Schweif.

 

Laut gibt die Nacht den Wahnsinn kund.

 

Der Mensch ist tot und wird nicht steif.

 

 

 

 

 

 

 

Dezember 2001

 

 

 

Es regnet Zeit auf grauen Schnee.

 

Ein unsichtbarer Schattensee

 

lässt blind die Lebensjahre spiegeln

 

und winters in Kristall versiegeln.

 

Wer Schatten wirft, dem leuchten Flammen,

 

und jeder Schatten bricht zusammen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dezember

 

 

 

Die feuchte Kühle

 

verweht den gebrochenen Blick

 

in die neblige Ferne

 

der farblosen Fluren,

 

verwebt ihn

 

mit dem grauverhangenen Himmel

 

zur weiten Leere

 

des schweigenden Sinnens

 

verlorener Trauer.

 

Niemand starrt zurück.

 

Weinenden Grabengeln nur,

 

mit verwitterten Flügeln,

 

sinkt der Blick.

 

 

 

 

 

 

 

Dezembermärchen

 

 

 

Wenn sich der liegengebliebene Tag

 

ganz die Wolkendecke überzieht

 

und weint

 

wie ein kleines Kind,

 

sinnt im Krankenbett der Greis

 

durchs Fenster

 

der frühen Nacht entgegen,

 

in der auch er weint.

 

 

 

Dann warten vor der Türe

 

im Kerzenlicht

 

versonnen die Engelkinder,

 

die tagsüber

 

von den Schokoladefeldern draußen

 

genascht haben,

 

bis sie herein dürfen.

 

 

 

 

 

 

 

Dialog

 

(Song der Spielgruppe freiwilliger Rülpslinge)

 

 

 

Wären sie Säue gewesen,

 

hätten sie sich gut verstanden:

 

 

 

Denn während der eine

 

unter Ausstoß laufender, gezielter Rülpser

 

das Wort an sich zu reißen versuchte,

 

hatte der andere

 

beim Reden Schwierigkeiten,

 

seine eigenen Rülpser zu übertönen!

 

 

 

 

 

 

 

Dichtung

 

 

 

Im dunklen Raum in Gedanken

 

sitzt starre Gestalt vor Kerzenlicht.

 

Die zitternden Schatten schwanken,

 

und in die schwindelnde Stille bricht

 

ganz plötzlich und unverstanden,

 

ja unverständlich, dieses Gedicht.

 

 

 

 

 

 

 

Die Befreiung

 

 

 

Die senkrechten, dicht aneinander gereihten Streben des Geländers der riesigen Brücke waren unten  im Bereich der Außenkantseiten des Fahrbahnträgers nach außen gewölbt. Diese Ausbuchtungen bildeten zusammen mit den Betonflächen, vor denen sie verliefen, gleichsam  Röhren mit halbkreisförmigem Querschnitt, die gitterseitig zwischen den gebogenen Streben durchbrochen waren.

 

 

 

Wir krochen nun schon eine Ewigkeit durch eine dieser beiden Röhren und befanden uns immer noch im Anfangsbereich! Das erstrebte Ende erschien als die Unendlichkeit. Höhe und Breite entsprachen der Enge eines Sarges. Diese schloss eine Umkehr aus! Rückwärts kriechen? Der Zugang zur Röhre war nur von oben über den Tritt auf einen kleinen Mauervorsprung möglich gewesen, auf dem Halt zu finden, ja ihn überhaupt zu finden, bei einem rückwärtigen Herauskriechen aus dem Gitter nicht vorstellbar war. Wird denn der Ausstieg am fernen anderen Brückenende zu bewältigen sein, wenn es je erreicht werden sollte? Verloren sind wir, wenn sich die Gitterrolle irgendwo verengt oder eine unüberbrückbare Lücke aufweist!

 

 

 

Ohnehin von der Hitze schweißgebadet, brach mir immer wieder der Angstschweiß aus. Längst hatte ich mich mühsam der Kleidung bis auf die Unterhose entledigt. Der Körper war blutverschmiert. Doch die körperlichen Schmerzen traten hinter die Todespanik völlig zurück.

 

 

 

Mir war es unerklärlich, wie ich „Boss“ auf unserer Flucht in dieses Verlies hatte folgen können! Ich konnte jetzt seinen Versicherungen einfach nicht mehr glauben, er habe diesen Fluchtweg unter Überwachung testen lassen. Wie hätte er die Testperson retten wollen, wenn sie nicht mehr weitergekommen wäre?

 

 

 

Tief unter uns gleißte das Wasser in der Abendsonne. Weit weg warf diese den schwarzen Schatten der gewaltigen Brücke. Ich wollte, ich wäre nur in ihm gefangen gewesen! In der Ferne flimmerten die Wolkenkratzer der Stadt in der drückend erhitzten Luft. Erbarmungslos dröhnte der Verkehrslärm von der Brückrnfahrbahn über uns. Er übertönte das Geknatter der polizeilichen Suchhubschrauber am Himmel. Hilferufe würden gnadenlos untergehen. Die Boote der Polizei drunten auf dem Wasser ließen die Blicke durch die Feldstecher ahnen, mit denen die Brücke abgesucht wurde. Oh würden wir doch entdeckt! Lieber hingerichtet als qualvoll in diesem Käfig im Zeitlupentempo zu verenden!

 

 

 

Als ich „Boss“ wieder eingeholt hatte, weil er sich in aller Seelenruhe auf dem Rücken liegend eine Zigarettenpause gönnte, schrie ich ihn erneut voller Verzweiflung heulend an: „Dir habe ich dieses Todessiechtum zu verdanken! Du hattest und hast alles in Händen. Nur du hast eine Knarre. Beweise  Menschlichkeit, zeige  Charaktergröße und schieß´ mich endlich zusammen, oder gib mir dein Eisen! Niemand wird´s hören, niemand wird mich finden, jedenfalls trifft dich keinerlei Verdacht. Und selbst wenn: Diesen Selbstmord kann niemand widerlegen!“ Er erwiderte nur lässig: „ Je öfter du mir vom Selbstmord vorschwärmst, desto schmackhafter machst du ihn für mich. Und wenn ich hier tot drinliegen bleibe, wie willst du weiterkommen?“

 

 

 

Dann versuchte er doch wieder, mich aufzurichten: „Also das sparen wir uns auf, bis es gar nicht mehr weitergeht. Dann knalle ich erst dich und, wenn es mir genau so geht, auch mich ab. Einmal sterben wir ohnehin, und weil das nur einmal ist, sollten wir uns unseren Triumph, uns nicht alles Leid gefallen zu lassen, nicht so schnell nehmen lassen!“ Und er fuhr fort: „Glaub´ mir, auf meine Leute ist Verlass! Wenn wir hier festklemmen, finden die uns und bringen es fertig, uns heraussägen  zu lassen, ohne dass die Polizei Wind davon bekommt, nicht einmal einen Magenwind wie den, den ich gerade aus mir befreit habe!“

 

 

 

In diesem Augenblick hörten wir über uns vom Brückenrand aus eine Lautsprecherstimme mit der Aufforderung der Polizei, uns widerstandslos festnehmen zu lassen und unsere Waffen wegzuwerfen.

 

 

 

Ich fühlte mich noch nie in meinem Leben so frei, schwebte wie im Traum und fand keine Worte. Auch „Boss“ schwieg. Dann kam es typisch von ihm: „Sieh´ an! Die trauen auch dir eine Waffe zu! Dem Kollaborateur, der seine Klamotten abgeworfen hat als wehendes Kapitulationssignal“, spottete er, obwohl ich ihm hoch und heilig, vor allem aber reinsten Gewissens, versichert hatte, die abgelegte Kleidung, wenn auch sehr schweren Herzens, teils zwischen Gitter und Mauer geklemmt, teils am gebogenen unteren Ende eines Güterstabes aufgespießt und teils um einen solchen Stab gebunden zu haben. Doch ich kannte seine Passion für makabere Scherze zu gut, um mich falsch verdächtigt zu fühlen. Eigentlich war er nur deshalb als „Boss“ gefürchtet, weil ihn die meisten als Zyniker missverstanden, dem nur er selbst mit seinem Fanatismus etwas gelte.

 

Etwas feierlich fuhr er fort: „Siehst du jetzt ein, dass du nicht recht hattest? Hätte ich dich erschossen, wäre ich jetzt in Verdacht! Es wäre voreilig für dich gewesen, du hattest doch den jetzigen Augenblick so sehr ersehnt! Und für mich ist erst jetzt der Augenblick des Triumphes gekommen!“ Unmittelbar darauf löste sich der Schuss, den er sich gab.

 

 

 

Den Verdacht, ihn abgegeben zu haben, konnte ich ausräumen. Im übrigen stand ich zu unserer erfolglosen Befreiungstat. Nach 20 Jahren wurde ich durch die neue Regierung aus der Haft entlassen. Diese Befreiung war nichts im Vergleich zu der aus dem Brückengitter, die erst nach Herablassung eines Krankorbes und der Demontage einiger Gitterstäbe gelungen war.

 

 

 

 

 

 

 

Die Bürotüre

 

 

 

Er stand vor seiner Bürotüre und klopfte, ließ sich jedoch nicht hinein, weil er ja draußen stand.Daraufhin ging er ungenehmigt hinein. Da er nicht drin war, sah er sich gezwungen, schleunigst wieder hinauszugehen, da sich sonst seine Anwesenheit mit seiner Abwesenheit widersprochen hätte, was seinem Harmoniebedürfnis widersprach. Jedenfalls hätte es ja wohl elementaren Grundsätzen der Höflichkeit widersprochen, im Zimmer zu verweilen, obwohl er dort nicht anzutreffen war.

 

 

 

Höflich klopfte er also nun von innen an die Türe, um wieder hinaus gelassen zu werden. Zufällig stand draußen in der Amtssprache gerade ein sogenannter Dritter, der mathematisch gesehen ein Zweiter, dienstlich ein Kollege war und gerade klopfen wollte, um hinein gelassen zu werden. Als er das von innen kommende Klopfen hörte, rief er: „Heraus!“, denn er empfand sich in Bezug auf die Zimmertüre als Außenstehender, obwohl er im Bürogebäude und im Flur inständig war. Gleichzeitig klopfte er, um dem von ihm – wie er zu spät erkannte – vorschnell genehmigten Heraustreten des Zimmerinhabers zuvorzukommen, denn er wollte ja zu diesem hinein, obwohl er die kurze Frage, die er an ihn richten wollte, nämlich ob er wieder da sei, auch heraußen, ja mit einiger Lautstärke sogar durch die Türe hindurch hätte stellen können.

 

 

 

Der Zimmerinhaber rief: „Herein!“ und trat, wie beabsichtigt und genehmigt, hinaus, während der Draußenstehende, wie beabsichtigt und genehmigt, hinein trat.

 

 

 

Der heftige Zusammenprall wurde als Dienstunfall reguliert, obwohl er keinem der beiden Beteiligten gedient hatte (und auch nicht so vorgekommen war) und die Verletzungen erst bei der anschließenden – dem Dienstherren freilich nicht bekannt gewordenen – Schlägerei entstanden waren, die dem Harmoniebedürfnis des Zimmerinhabers nun doch noch widersprochen hatte, wenngleich ihm dies dabei gleichgültig war.

 

 

 

Der Zimmerinhaber wollte aus dem Vorfall die Lehre ziehen und brachte an der Außenseite  seiner Zimmertüre ein Schild mit der Aufschrift an: „Bitte, ohne anzuknüpfen eintreten!“ Kurz darauf war sein Zimmer voller Kollegen, die ihn fragten, warum sie den eintreten sollten.

 

 

 

 Er änderte also die Schildaufschrift, die zugleich Schildinschrift und umgekehrt war, dahingehend, dass sie nunmehr (leise) lautete: „Vor dem Eintreten bitte nicht klopfen!“ Nachdem daraufhin ein Kollege, ohne geklopft zu haben, die Türe eingetreten hatte, änderte er erneut die Formulierung auf dem Schild. Sie lautete nun: „ Vor dem Eintreten bitte die Türe öffnen und davor nicht klopfen!“ Jetzt öffnete ein Kollege die Türe, klopfte danach an sie und fragte, wie er die geöffnete Türe nun eintreten solle.

 

 

 

Auf dem Schild hieß es jetzt: „1) Nicht klopfen! 2) Türe nicht eintreten!“ Niemand trat mehr in das Zimmer, da dies jedem ohne vorheriges Klopfen peinlich erschienen wäre.

 

 

 

Nach langer Zeit der Verwunderung des in seinem Zimmer Gemiedenen prangte endlich ein Schild an der Türe, das zu keinen Missverständnissen mehr Anlass gab: „Vor dem Eintreten bitte weder klopfen noch die Türe eintreten!“

 

 

 

Doch eines Tages verließ der Zimmerinhaber und Schildurheber das Zimmer und prallte mit einem gerade eintretenden Kollegen zusammen. Er glaubte zunächst an einen seltenen Zufall, seltener als bei gleichzeitigem Klopfen, wurde jedoch skeptisch, als sich solche distanzlosen Begegnungen häuften, noch dazu ohne tätliche Reaktion der Kollegen. Die Reaktionen erschienen sogar eher belustigt!

 

 

 

Eines Tages – bei der Rückkehr von der Toilette – überraschte er einen Kollegen, der sich gerade mit einem Ohr an der Türe für einen Zusammenprall bereitgehalten hatte. Anschließend war auf dem Schild schlicht zu lesen: „Kein Eintritt!“ Nachdem jemand dazu geschrieben hatte: „Wäre ja auch noch schöner!“, erhielt der Text die endgültige Fassung: „Vorsicht: Trete aus! Bitte Abstand!“ Und bei jedem Gang des Warners zur Toilette hielten die Kollegen gebührenden Abstand, wenn sie ebenfalls austreten mussten.

 

 

 

 

 

 

 

Die Erkenntnis

 

 

 

Nachdem sich der Kaiser aufgemacht hatte, die Gemächer seines Schlossers zu durchschreiten, die er noch nie gesehen hatte, schlief er schon im ersten Gemach ein, in dem er eine Schlafstätte vorfand, und träumte, er habe sich aufgemacht, sein Schloss zu umschreiten, was er noch nie getan hatte, und er sei schon zur ersten Türe, die er erreicht habe, wieder in Schloss getreten.

 

Und da wachte er auf und glaubte, noch nicht aufgebrochen zu sein, und vergaß, dass er sein Schloss nicht kannte.

 

 

 

 

 

 

 

Die Flucht in den Norden

 

 

 

Mit dem Blick,

 

dem sie ausweichen,

 

verrückt,

 

teilt

 

er mit rudernden Armen

 

die Regensträhnen

 

wie die Perlenschnüre

 

der südlichen Türvorhänge,

 

eilt

 

auf der Flucht

 

vor sich selbst

 

hindurch und

 

bleibt

 

wohl im Norden

 

plötzlich stehen.

 

Weilt

 

in sich selbst,

 

nass

 

nur in den Augen,

 

blutend die Hände

 

von den Splittern

 

des zerteilten

 

Wassers,

 

noch ausgestreckt,

 

starrt

 

auf das undurchdringliche

 

Glas

 

stockenden Regens.

 

 

 

 

 

 

 

Die Frage

 

 

 

Ein wirrer Traum durchwacht die lichte Nacht,

 

würgt dunklen Tag mit todverspielter Macht.

 

 

 

Ein Schatten, zitternd, reißt im Augenlicht.

 

Ein Kind weint, weil die Leere zu ihm spricht.

 

 

 

Am Wasser löscht ein Nebel eine Spur,

 

ein Spiegel fängt die Zeit aus stummer Uhr.

 

 

 

Im falschen Schwur welkt ungesühnt ein Leben.

 

Die Frage hat es hin- und weggegeben.

 

 

 

Die Nacht kehrt wieder, wirrer Tag im Traum,

 

des Todes Echo ohne Zeit und Raum,

 

 

 

des Todes Spiegel ohne Ja und Nein

 

und nichts und alles weder Sein noch Schein!

 

 

 

Der ferne Stern strahlt ohne jeden Sinn.

 

Ich leb´ nur, weil ich glaube, dass ich bin.

 

 

 

Fern auf dem Lande heult ein Hund zum Mond.

 

Das zeigt, was Wahrheitsglauben innewohnt.

 

 

 

Halb schlafend schnurrt die Katze vor sich hin.

 

Sie löst die Frage nach des Lebens Sinn.

 

 

 

Jetzt kommst du heim mit einem milden Lächeln.

 

Doch Wölfe Blut aus ihren Lefzen hecheln.

 

 

 

 

 

 

 

Die Geschichte vom Luftunterdruck zum speisenden Tod

 

 

 

Oft häufig hintereinander, aber meist in Zeitabständen von relativ längerer Dauer, riss er das Fenster auf und rülpste hinaus. Donnerstags nie. Da hatte er grundsätzlich keine Selterwasserflasche neben sich auf seinem Schreibtisch stehen. Ja, so war er! Ganz früher, in grauer Vorzeit, haben sich die anderen Hausbewohner immer und immer wieder beschwert, doch seitdem er seinen Schreibtisch neben das Fenster platziert hatte und somit der Anlaufsweg weggefallen war, konnte niemand mehr an dem lauten Gepolter Anstoß nehmen, unter dem er einst immer an den Fenstergriff zu stürzen gepflegt hatte.

 

Das Fenster war sehr sehr schmal, damit nicht mehr Luft eindringen konnte, als hinausgepresst wurde. Er liebte einen bestimmten Luftunterdruck, der sich aus einer Differenzialgleichung ergab, und den er in seinem luftdichten Arbeitszimmer zu erhalten eitel bedacht war, derart, dass sogar nie die Öffnung einer auch noch so minimal gefüllten Selterwasserflasche frei in den Raum ragen durfte, auf dass nur ja kein Perlchen Kohlensäure entströme. Ja, so war er! Welche ungeheuere  Apparatur hatte er sich doch in seine Wände einbauen lassen, damit sich auch keine geringsten Temperatur – und somit Luftdruckschwankungen ergäben! Ein richtiges Paradies hatte er sich geschaffen. Und wenn er -  aus welchen Gründen und dunklen Drängen auch immer - die Türe öffnen musste, um sein Zimmer zu verlassen, wie luftunterdruckhungrig kam er dann wieder zurückgeeilt, um an seiner Apparatur herumzuhantieren und sich nach der Wiederherstellung des ursprünglichen Luftdrucks wieder wohlig an seine Arbeit machen zu können! Nur in seinem  paradiesischen Luftpaket konnte er sich zur Arbeit aufraffen und sich so vor dem Hungertod bewahren, der ihn jäh dahingerafft hätte, hätte er kein Geld mehr verdienen können. Ja, er war nämlich sehr arbeitsscheu, und nur ein ganz bestimmter Luftdruck konnte ihn zur Arbeit bewegen – weniger im Sinne von Kraft pro Flächeneinheit als infolge Versüßung derselben.

 

 

 

Es begab sich aber nun eines sonnigen Tages. Und das war sehr sehr schlimm, dass es sich begab. Ich will versuchen, dieses „es“ im folgenden ganz kurz zu umreißen – wenigstens soweit mir dazu die Mittel zur Verfügung stehen: T. Ich sehe gerade, dass ich das „es“ doch etwas weiter umreißen muss – vielleicht am besten sogar so, dass man es versteht: Tod. Nun, so schlimm war es eigentlich auch wieder nicht, denn ich hätte – wenn ich´s mir recht überlege – eigentlich auch dann nichts mehr zu erzählen gewusst, wenn sich der Tod nicht ereignet hätte. Ja, wenn ich´s mir noch rechter überlege, bin ich nicht uneigentlich sogar froh darüber, dass der Tod nicht ausgeblieben ist, denn siehe da: Den ganzen letzten Abschnitt der Erzählung hat er doch noch gespeist!

 

 

 

 

 

 

 

Die Geschichte vom Strömen zum Wasserhaushalt

 

 

 

Allgemeines Strömen. Und er strömt mit, der Held dieser Geschichte. Und nicht nur er. Nein, alle strömen mit, jeder mit jedem. Jawoll, es ist, wie gesagt (schriftlich), ein allgemeines Geströme. Und so strömen sie eben alle mit, mit dem Strom, strömen, strömen und strömen. Nein, nicht dreimal strömen sie. Sie strömen nur einmal, aber dauernd – sie alle, die strömen, inklusiv des Helden dieser Geschichte.

 

Und da passiert es! Es? Nun ja: das Passieren. Deutlicher: Das Passieren – Dass – Nicht – Alle – Strömen. Und nicht nur „da“  passiert es – nein, es passiert dauernd. Aber das ist nicht so schlimm. Oder kann es wirklich den Eindruck des ständigen Strömens stören oder gar gar nicht aufkommen lassen, wenn da und dort einige stehen, sei es vor einem Schaufenster, sei es vor einer Ampel, sei es vor Schreck oder sei es vor sonst noch einem Substantiv? Auch unser Held steht ab und zu vor, wiewohl er sich dabei auch keineswegs als Vorsteher fühlt. Manchmal, allerdings recht selten, steht er sogar nur einfach – ohne „vor“. Und nicht nur er! Dann steht er vor überhaupt nichts, vor dem absoluten Nichts sozusagen. Da steht er dann nur auf – nein, nicht etwa vom Essen. Das gehört nicht hierher – ins Geströme, ganz abgesehen auch davon, dass das öfter geschieht. Nein, er steht dann auch nicht auf irgendeinem Fleck, denn nenne mir, Muse – vielmehr: Muße Habender, der du diese Geschichte liest – ,nenne mir den Fleck, auf dem man stehen kann, ohne vor irgendetwas zu stehen – und sei es auch in noch so großer Entfernung! Nein, das alles ist nicht der Fall. Nein, nein und nochmals: nein! Er steht ganz einfach auf einem Standpunkt, keinem örtlichen, einem geistigen – auch im Gedränge – manchmal, selten allerdings. Und da steht er dann nur örtlich vor, vor irgendetwas, wenn er nicht gerade auch noch geistig vor einem Problem oder einer Frage steht. Doch siehe da, geneigter (auf die beschriebene Seite) Leser: Gar nicht so selten stehen gar nicht nur einige auf einem Standpunkt, wie eben beschrieben, sondern dauernd stehen alle auf vielen Standpunkten, wie eben nicht beschrieben, – auf allgemeinen sozusagen – unterbewusst. Jawoll! Oder stehen etwa nicht nicht nur einige auf derartigen Standpunkten wie zum Beispiel dem, dass einer, der ihnen begegnet, ein, jawoll: ein solcher ist, sondern wohl alle auch auf solchen wie zum Beispiel dem, dass einer, der ihnen nicht begegnet, ein – ein, jawoll: ein Keiner ist? Ja, in dieser Hinsicht stehen sie alle dauernd auf – auch unser Held. Doch das ist nicht so schlimm, solange sie nicht aufstehen – als Aufständische. Sie sind ja alle sozusagen nur „Aufsteher“, der eine allerdings ein Früh -, der andere ein Spät – .

 

Doch strömen tun sie früh und spät, die Leute in der Stadt – die Leute allgemeinen, unser Held nicht. Und nicht nur unser Held nicht, denn siehe da: alle nicht, die strömen. Doch das ist nicht so schlimm: Sie sind ja alle sozusagen nur keine Strömer  und nicht keine Ströme, denn sonst stünde es um den Wasserhaushalt unserer Erde schlecht – und auch um den unseres Helden. Und nicht nur um den unseres Helden! Pardon, wie steht es um den Wasserhaushalt des geneigten (zur Empörung) Lesers? Bleibt ihm die Spucke weg?

 

 

 

 

 

 

 

Die „Klimakatastrophe“

 

 

 

Ich hasse die Sonne, mich dürstet nach Regen,

 

nach Blitzen, nach Donner, nach Sturm: welch´ ein Segen!

 

 

 

Verlogenes Licht der höllischen Glut!

 

Im Dunkeln allein meine Seele ruht.

 

 

 

Des Teufels Fratze: Sie ist´s, die lacht!

 

Das Leid des Lebens kühlt nur die Nacht.

 

 

 

Und – wie Gewitter – frei ist Wut.

 

Die innere Hitze nur tut gut!

 

 

 

 

 

 

 

Die Lösung

 

 

 

Wir leben nicht dafür,

 

das Leben zu ergründen.

 

Doch treibt uns ein Gespür,

 

Geheimnisse zu finden.

 

Und diese lüften wir,

 

indem wir selbst verschwinden.

 

 

 

 

 

 

 

Die Masse

 

 

 

Den anderen folgen wie ein Schaf,

 

es anderen nachtun wie ein Aff´

 

und immer Ja wie Esel sagen:

 

so alle Tiere überragen!

 

Der Mensch ist dazu dumm genug.

 

Hält daher sich auch noch für klug!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Mehrheit

 

 

 

Als die Sonne gläsern wirkte,

 

merkten sie noch nichts.

 

 

 

Und als sie grün schien,

 

dachten sie,

 

so sei das Wetter.

 

 

 

Erst als man meldete,

 

sie tanze,

 

sah man zum Himmel

 

und schüttelte den Kopf.

 

Nun ja,

 

solang´s uns wohlergeht,

 

besteht zur Sorge

 

doch kein Anlass!

 

 

 

 

 

 

 

Die Nacht des Lebens

 

 

 

Im Schleierlicht

 

wiegen sich

 

schlafstarre Häupter.

 

Und im vereisten Nebel

 

eines Atems

 

fallen die gebrochenen  Linien

 

gefalteter Hände zusammen.

 

 

 

Wachend fährst du

 

mit dem Finger

 

über den blinden Spiegel

 

deiner Zeit.

 

 

 

 

 

 

 

Die Seinsfrage

 

 

 

Weder

 

sind wir,

 

noch

 

sind wir nicht,

 

noch

 

sind wir und zugleich nicht.

 

 

 

Wir werden geträumt

 

von einem Traum

 

eines Traumes,

 

der weder

 

geträumt wird,

 

noch

 

nicht geträumt wird,

 

noch

 

geträumt und zugleich nicht geträumt wird.

 

 

 

 

 

 

 

Die Sinnfrage

 

 

 

Der Dumme glaubt an fernen Sinn,

 

als strebe alles erst dorthin.

 

 

 

Der Kluge sagt sich: „Aber nein!

 

Was jetzt ist, soll auch jetzt schon sein

 

und, was erst wird, nimmt nicht die Zeit

 

als Umweg, sondern ist bereit !“.

 

 

 

Warum nicht gleich, was später ist?

 

Weil nichts vergeht, nur weiterfließt!

 

 

 

 

 

 

 

Die Sinnfrage

 

 

 

Bewustseinsflüchtig leben sie.

 

Es ist ja alles so normal

 

und Anormales irgendwie

 

halt auch, doch nicht der Fall!

 

 

 

Und fragt man sie, weshalb sie leben,

 

dann lachen sie: „Das hat schon Sinn!

 

Denn warum soll es keinen geben,

 

wo doch der Glaube ist im Hirn?“

 

 

 

Als wäre eine Ackerfurche

 

von vornherein im Boden drin!

 

 

 

 

 

 

 

Die Stunde

 

 

 

Die Türe steht jetzt plötzlich offen.

 

War's nicht, als wär´ sie fest geschlossen?

 

 

 

Und Kühle rührt die feuchte Stirn.

 

Vor irren Blicken Farben flirr´n.

 

 

 

Jetzt drückt ins Ohr ein Wellenrauschen.

 

Luftfratzen off´nen Mundes lauschen.

 

 

 

Ein Stück Papier gleitet zu Boden,

 

der Abschiedsbrief des noch nicht Toten.

 

 

 

Und lichterstickte Dunkelheiten

 

im Lärm der Luft starr ödend schweigen.

 

 

 

 

 

 

 

Die Tagung

 

 

 

Eine Tagung von Wissenschaftlern aus aller Welt drehte sich um die Frage, warum denn der Hund so mager sei.

 

 

 

Einige unter den Teilnehmern hielten bereits den Ausgangspunkt dieser Frage für ein Gerücht. Andere beantworteten die Frage damit, dass der Hund nicht genügend zum Fressen bekomme. Wieder andere meinten, der Hund sei deshalb so mager, weil es so unruhig sei. Diese Feststellung könne man auch umkehren: es sei so unruhig, weil der Hund so mager sei.

 

 

 

Ein Teilnehmer stellte die Gegenfrage, um welchen Hund es sich denn eigentlich handele. Als ein weiterer Teilnehmer meinte, es handele sich um den Hund schlechthin, äußerten andere übereinstimmend, einen solchen Hundenamen hätten sie aber noch nie gehört, worauf ihnen der so angesprochene Teilnehmer bedeutete, dass er es so nun auch wieder nicht gemeint habe.

 

 

 

Plötzlich kam einer auf die Idee, den Hund zu fragen. Etliche hielten dies für nicht praktizierbar, andere befürchteten, der Hund könnte sie wieder auf das Ausgangsproblem zurückwerfen, indem er seinen Missmut über die Frage jedenfalls sinngemäß mit den ihm zur Verfügung stehenden Ausdrucksmöglichkeiten so artikulieren könnte: „Warum, warum, warum ist der Hund so mager?“

 

 

 

Jetzt brausten einige Teilnehmer auf: Der Tagungsleiter hatte gebellt! Er schloss jedoch schleunigst die Tagung mit dem Resümee: Die entstandene Unruhe stelle die Antwort auf die gestellte Frage dar.

 

 

 

Ein Kritiker fand dieses Ergebnis später in einem namhaften Publikationsorgan ausgesprochen mager.

 

 

 

 

 

 

 

Die Tat II

 

 

 

Aus dem dürren Geäst

 

wirbeln die schwarzen Blüten

 

auf den schmutzigen Schnee hinab.

 

Und so schwarz war der Himmel noch nie,

 

durch den sich ein Strahlenfächer

 

eisigen Lichtes schneidet.

 

 

 

Stammelnd kniet der Getriebene

 

neben der geliebten Leiche.

 

Die wilden Fußspuren haben sich

 

mit Wasser gefüllt,

 

und neue bilden sich nicht.

 

 

 

 

 

 

 

Die Tat

 

 

 

Ins Lächeln zarter Hoffnung fuhr die Faust.

 

Ein Wimmern blieb, das bald erstarb.

 

 

 

Gesicht der Unschuld, bleich, das Haar zerzaust,

 

weint reglos bitt´res Blut und starrt

 

 

 

den Wahnsinn aus dem langen Blick

 

des Täters in den Himmel weit zurück.

 

 

 

 

 

 

 

Die Verzweiflung der Unschuld

 

 

 

Kennt ihr denn nicht den Albtraum:

 

Ihr wollt laut schreien,

 

auf der Ton

 

würgt nur euere Kehle?

 

 

 

Stellt euch Ersticken vor:

 

Ihr wollt atmen,

 

aber die Luft bleibt angehalten!

 

 

 

Wisst ihr, wie das ist,

 

wenn einer spricht,

 

einfach nur spricht,

 

mehr will er gar nicht,

 

und ihr glaubt ihm nicht,

 

ihr glaubt ihm einfach nicht,

 

obwohl er gar nichts will,

 

obwohl er gar nicht lügt,

 

ihm gar nichts daran liegt?

 

Ihr glaubt ihm einfach nicht!

 

 

 

Wehe dem,

 

dem ihr nicht glaubt,

 

und der auch

 

durch seinen Tod

 

seine Unschuld nicht beweisen kann!

 

 

 

Wehe euch,

 

er schreit nicht,

 

er atmet nicht,

 

und euch hätte es nichts gekostet,

 

zu glauben!

 

 

 

Ihr seid verflucht

 

durch das wahre Wort,

 

das ihr verhöhnt.

 

Ihr habt euch schuldig gemacht.

 

Oh, hättet ihr ihn doch

 

gleich umgebracht!

 

 

 

So sagt doch endlich, sagt:

 

Habt ihr euch das denn nicht gefragt?!!

 

 

 

 

 

 

 

Die Welt

 

 

 

Oh, wie das Schicksal den bestraft,

 

der ohnehin nur Leiden kennt,

 

dem Glücklichen noch Glück verschafft,

 

obwohl er gar nicht nach ihm rennt!

 

 

 

Und immer nur der Böse siegt.

 

Den Guten sein Gewissen wiegt.

 

 

 

Die Welt hat nie ein Gott geliebt.

 

 

 

 

 

 

 

Die Zeit II

 

 

 

Die Zeit,

 

die Unerbittlichkeit

 

des So und Nicht,

 

der Geist,

 

der aus den Toten spricht!

 

 

 

 

 

 

 

Die Zeit

 

 

 

Die Zeit tropft schwer und immer schneller,

 

so wie das Blut aus meinem Herz.

 

Sie tropft aus drohend schwarzem All

 

und wird zur dunklen Hohen See.

 

 

 

Die Blitze werden immer greller.

 

Zu Höllenqualen wird der Schmerz.

 

Die Tropfen wandeln sich zum Schwall.

 

Der Sturm reißt Wellen in die Höh´.

 

Kein Untergang, so sehr ich fleh´!

 

Zeit frisst, schluckt nicht, wie schon seit je.

 

 

 

 

 

 

 

Doch

 

 

 

Die Sonne kam

 

und das Vergessen.

 

Und dann war´s

 

unerbittlich,

 

unerbittlich

 

Traum gewesen.

 

 

 

Du greifst zum Herz,

 

es sinkt die Hand.

 

Du sahst es

 

nie und nimmer,

 

nie und nimmer,

 

wie sie sank.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dorthin

 

 

 

Ihm wurde etwas angetan.

 

Gewissheit brach in ihm sich Bahn,

 

dass er nicht weiterleben kann.

 

Gesicht der Schuld - vertrauter Wahn -,

 

er blickte es noch einmal an,

 

trat vor die Tür und eilte dann

 

dorthin, wo er sich Freiheit nahm,

 

so dass er nie mehr wiederkam.

 

 

 

 

 

 

 

Dr Voddr

 

(Oberfränkische Heimidylle)

 

 

 

Dr Voddr hot a Mordstrumm Buttern ins Maal g´hiem g´hott, und etz hotta an Ärpfl dazu neiwerng wolln, obba die Muddr hotnan nuch net ogaschält g´hott´n. Do hot da Voddr bluß foddna mit´m Buttern im Maal gagrunzt und mit die Händ rimgafucht´lt, und sei Maal hot ausgaschaut wie bam Lehr´r Brondl, wenn der gähnt, obba sei Maal dabei net aafmocht. Und die Muddr hot si gschickt und an Ärpfl gschält und vur lauter Hetz iss´r noogafolln, und sie hotna aff da Scherzn nemma dawischt und an neia ganumma.

 

 

 

Und dr Voddr hot foddna bluß gagrunzt , und die Muddr hot vur sich higabrummt: „Waal er net ganuchkrieng ko! Onnera fress´n die Ärpfl mit´m Buttern, obba naa: er wercht erscht ´n Buttern nei, horichgschwind, der gonz Gscheit!“

 

 

 

Endlich woar der weng Ärpfl fertich. Garaucht hot a wie a Bügleisn. Obba dr Voddr hot nan mit der Händ gapockt, und sein Kupf hot er noch hinna gato wie bam Biertrinkn, und na hot´r ´n Ärpfl nei´s Maal gastopft. Hoaßkotzn! Do hot´r vielleicht wie ogaschlocht grodnaus gastiert, die Glosbotz´n nausgawercht, und Träna senna runnagaloff´n, und ´s Maal hot´r foddna rimgaschuum, hi und her und naaf und nunner, wie a Kouh, und vo da Guschn  is die Brieh runnergaloffn, nei in Kroong. Und die Muddr hot a Hondtuch vom Herd runnagarissn und sei Maal zugaholtn und hot gajommrt: „Olda Daaba, homma scho amoal a weiß´ Hemm gahobt!“

 

 

 

Endli wor a Rouh: Dr Voddr hot aafgakoppt, doss is gonz weng Gscherr im Schronk gaschepprt hot und da Hund gabellt hot. Und die Muddr hot wie immr, wenn dr Voddr aafkoppt wie a Stollknecht ba die Säu, bluß gabrummt: „No ho, Sottschwomma!“

 

 

 

Schuld worn wejdr mir Kinnr, waal ma ´m Voddr ´s gonz weng Bockstaakees weggafressn ghottn hom und bluß mehra der Buttern iebrig galossn woar.

 

 

 

 

 

 

 

3:00 Uhr

 

 

 

Niemand, der die Nacht verführt!

 

Wimmern zieht durch  leisen Schwindel.

 

Dürres Klopfen spukhaft rührt

 

ab und zu die Zeitenspindel.

 

 

 

Drückend jetzt der Stille Last!

 

Niemand, der die Nacht verrät!

 

Blinder Trance ins Talglicht fasst.

 

Starr ein Schatten Träume näht.

 

 

 

 

 

 

 

Du nennst es Gott

 

 

 

Wenn du dich fragst,

 

was Sein und Nichtsein ist,

 

wird dir bewusst,

 

dass du letztlich nichts begreifen kannst,

 

und es ergreift dich ein Sehnen

 

nach etwas, das

 

weder entweder ist oder nicht ist,

 

noch sowohl ist als auch nicht ist,

 

noch weder ist noch nicht ist,

 

und du fühlst

 

in diesem Sehnen das Vertrauen,

 

dass du darin bereits geborgen bist,

 

ohne es begreifen zu müssen.

 

Es ist in dir,

 

und du bist in ihm,

 

und du bist eins mit ihm,

 

ohne einsam zu sein:

 

so faltest du die Hände.

 

 

 

 

 

 

 

Du

 

 

 

Wenn du nicht willst,

 

sag´ einfach: Nein!

 

Denn du bist du.

 

Das ist dein Sein.

 

Mit deinem Du

 

stirbst du allein.

 

 

 

 

 

 

 

Dunkelheit

 

 

 

Wenn du daliegst

 

und dasitzt

 

und dahingehst

 

und nur noch denkst,

 

dann wird es dunkel, ganz dunkel.

 

 

 

Wenn die Deinen dich anblicken

 

mit diesen Schatten in den Augen,

 

dann wird es dunkel, ganz dunkel.

 

 

 

Wenn von draußen der Alltag

 

in die verschlossene Kammer hallt,

 

gar die Sonne scheint da draußen,

 

als wäre nichts,

 

dann wird es dunkel, ganz dunkel.

 

 

 

Wenn du sterben willst, jetzt,

 

nur noch sterben willst,

 

inständig flehst zu Gott

 

und nicht stirbst,

 

dann wird es dunkel, ganz dunkel.

 

 

 

Wenn es dunkel ist in dir

 

und ganz, ganz leer,

 

und du willenlos

 

endlich tust,

 

was dir mit Willen

 

- allzu lange – nicht gelang,

 

dann ist es endlich so weit,

 

wie es weiter nicht mehr geht,

 

wo Hell und Dunkel dasselbe ist,

 

wo du ganz einfach nicht mehr bist.

 

 

 

 

 

 

 

Dunkelung

 

 

 

Die Schatten des Tages ziehen in der Dämmerung

 

still vorbei, um die Nacht zu bilden.

 

Du flüsterst ihnen dein Geheimnis zu,

 

denn sie kennen den Tod, dem sie alles verraten.

 

Ein Lächeln ist´s, das in deinem Leben

 

niemand erwidert.

 

Dann starrst du in deine Stube,

 

bis es dunkel ist und bleibt.

 

 

 

 

 

 

 

Dunkler Horizont

 

 

 

Ich schließe fest die Lider,

 

und draußen gleißt das Sonnenlicht.

 

Ich lieg´ betrübt darnieder,

 

und Trost und Hoffnung gibt es nicht.

 

 

 

So finster, wie es in mir ist,

 

wird draußen nie die Nacht.

 

Und schwarzen Traum kein Schlaf vergisst.

 

Nur Schwarz aus Schwarz erwacht!

 

 

 

Da ist kein Gott, auch nicht der Tod.

 

Da hilft kein Messerstich.

 

Und weinte ich auch Blut: Kein Rot

 

am Horizont für mich!

 

 

 

 

 

 

 

Dunkles Leben

 

 

 

Wir spiegeln uns in unseren Schatten

 

so dunkel, wie wir uns bestatten

 

ins Dunk'le; wie wir sind geboren

 

aus Dunkelheit, der Nacht verschworen,

 

die unsere Träume in sich flicht.

 

Wir seh'n uns nicht, auch nicht im Licht.

 

 

 

 

 

 

 

Durchwachte Nacht

 

 

 

Die Träume

 

aller Schlafenden

 

ziehen nebeneinander

 

Furchen

 

durch die Dunkelheit,

 

Wellen,

 

die sich nicht überlagern,

 

in der Zeit erstarren,

 

Glasorgeln

 

der klingenden Nacht.

 

 

 

Zerbrich nicht,

 

glasiger  Traum

 

durchwachter Nacht!

 

 

 

 

 

 

 

Durst

 

 

 

Knieend vor der Quelle tauchen wir unsere heißen Lippen in das Wasser unserer hohlen Hände. Doch der dürstende Mund öffnet sich nicht, während sich die dankenden Hände falten und das Wasser entrinnt. Denn die Quelle war längst versiegt, längst vor der Fantasie der Sterbenden, die wir sind.

 

 

 

 

 

 

 

D´Leit

 

(frei nach Karl Valentin)

 

 

 

I geh´net hi zu die Leit.

 

Do pass´i einfach net hi.

 

I bin holt koa Leit.

 

Die kenna si partout net in Ruah loss´n.

 

I loss´mi am liabst´n in Ruah.

 

 

 

Am allerschlimmst´n san obba die Feiern!

 

I brauch´ koan zum Feiern,

 

net amol mi.

 

 

 

Wia schee waar´s Leb´m

 

gonz ohne Leit!

 

Des woar halt schee,

 

wiar i no net am Leb´m woar!

 

Mi graut´s scho vor da Auferstehung:

 

so an Haffa Leit!

 

Am best´n wird’s no in da Höll´sei,

 

do feierns wenigstens net!

 

 

 

Och Herrgott, du host´s schee:

 

Du bist gonz alloa

 

und vielleicht überhaupts gar net!

 

Dei Eb´mbuid

 

mechat i sei!

 

Sammas denn bloß im Grab?

 

 

 

 

 

 

 

Dämmerung

 

 

 

Die blauen Zimmer der Erinnerung

 

durchwimmert altvertraute Melodie.

 

Todmüde presst der bleiche Greis

 

die Hand auf seine feuchten Augen.

 

 

 

Und draußen verfällt ein eingebildeter Brunnen.

 

An´s Fenster klopft es kurz.

 

Nein, nicht mehr weiter!

 

Es muss doch endlich einmal

 

nichts mehr sein,

 

mein Gott, wie du nicht bist!

 

 

 

 

 

 

 

Dämmerung

 

 

 

Das letzte Licht

 

der späten Sonne

 

verbreitet Stille

 

in den müden Tag.

 

 

 

Mich zieht es heim.

 

Und in der Dämmerung

 

wird es so kühl.

 

 

 

Da war es also,

 

war mein Heim.

 

Aus einem Fenster

 

winkt Erinnerung.

 

 

 

Ein Nebelvorhang

 

fällt vor meiner

 

letzten Inszenierung

 

 

 

 

 

 

 

Ego suicidens

 

 

 

Beug´ dich aus deinem schwarzen Kahn,

 

schau dich im Wasserspiegel an,

 

zieh´ dich ganz nah an dich heran

 

und tränke deinen Todeswahn!

 

 

 

 

 

 

 

Ehezerwürfnis

 

 

 

Du gehst hinaus

 

und hast dir fest geschworen:

 

Nun ist es aus,

 

hier hast du nichts verloren.

 

 

 

Du gehst weit weg

 

und weißt doch nicht, wohin.

 

Kennst nur den Zweck,

 

hast nur den Tod im Sinn.

 

 

 

Die Welt bleibt gleich.

 

Du bist mit dir allein.

 

Dein Herz ist weich.

 

Wie leicht dringt Stahl jetzt ein!

 

 

 

Gott möge gnädig sein!

 

 

 

 

 

 

 

Ein Leben

 

 

 

Rausche durch das Laub,

 

blase in den Staub!

 

 

 

Spucke in den Bach,

 

schlage lauten Krach!

 

 

 

Springe in die Luft,

 

falle in die Gruft!

 

 

 

Bleibt etwas zurück?

 

Scheuer Traum vom Glück.

 

 

 

Fliegt, so weit er kann.

 

Löst sich auf in Wahn.

 

 

 

 

 

 

 

Ein „schöner“ Tag!

 

 

 

Ein Tag, wie aus dem Grab geträumt,

 

zum Himmel feurig aufgebäumt,

 

vergießt in Strömen grelles Licht,

 

vergisst, dass Feuer Seelen frisst:

 

Oh gäb´es Kälte, Sturm und Regen,

 

die Seele sänge Dank dem Segen!

 

 

 

 

 

 

 

Ein Tag

 

 

 

Dieser Schein der Tage!

 

Nichts, das sein müsste.

 

Alles ist nur Frage.

 

Niemand, der sie wüsste.

 

Frage, die sich selbst befragt,

 

mit der Antwort überragt.

 

 

 

 

 

 

 

Eine Sommernacht

 

(Gedicht aus der Kindheit)

 

 

 

Nacht ist´s, pechrabenschwarze Nacht.

 

Alles ist still, nur ab und zu da kracht

 

in des Herrn Meiers Schlafgemach ein Schrank.

 

„Ein Schrank, oh nur ein Schrank, Gott sei's gedankt!“

 

murmelt Herr Meier, der halb im Schlafe schon

 

sich wälzt im Bett bei der Matratzen schrillem Ton.

 

Da plötzlich es ganz komisch klappert.

 

Herr Meier stutzt, da kommt geflattert

 

eine Nachtfalter zum off´nen Fenster rein.

 

„Ein Falter, der sich hat verirrt, was soll's auch sein!“

 

murmelt Herr Meier. Er schläft schon beinah´ wieder.

 

Von einem keinen Teich her quaken Frösche ihre Lieder.

 

Nun hört´s auch Herr Meier und tappt zum Fenster,

 

um es zu schließen. Da – sieht er Gespenster?

 

„Ach“, fällt´s ihm ein, „das ist ja nur mein weißes Hemd,

 

das ich hab´ vor dem Bettegeh´n hier aufgehängt!“

 

Beruhigt legt er sich wieder nun ins Bett.

 

Doch jäh wird er bald wieder aufgeschreckt.

 

Den Grund seines Wachseins er erkannt hat.

 

„Es ist die Hitze!“ brummt er, „Ich hab sie jetzt satt!“

 

Die Tür wird geöffnet, sperrangelweit,

 

die Fenster auch wieder, wenigstens fingerbreit,

 

ein leichteres Zudeck wird herbeigeschafft,

 

dann legt er sich nieder, um mit neuer Kraft

 

wieder einzuschlafen. Doch was ist da?!

 

„Knurrt da nicht jemand – jetzt ganz nah?

 

Und was ist das?! Oh Schreck, lass nach!

 

Zwei Augen funkeln – jetzt wird’s Tag!“

 

so denkt Herr Meier, „Nicht Gespenster

 

sind das, nein, nur zum off´nen Fenster

 

sich Hubers Katz´ hat ´reingedrängt.

 

Fröhlich am Fußende sie mit dem Schwanz jetzt schwenkt.“

 

Da blieb Herr Meier eisern und ließ sich nicht mehr stören.

 

Er wollte nur noch schlafen und nichts mehr seh´n und hören.

 

Und sieh! Der Schlaf ihn in das Reich der Träume trägt.

 

Es kracht, knurrt, flattert, quakt und – „sägt“!

 

 

 

 

 

 

 

Eines Kindes Klage

 

 

 

Ach lieber Gott, nimm mich zu dir!

 

Es ist so schrecklich für mich hier!

 

 

 

Die Menschen können mich nicht leiden.

 

Ja, auch die guten wollen streiten.

 

 

 

Ich mach doch allen alles recht

 

und will für mich nichts, ist das schlecht?

 

 

 

Du hast mein Herz zu weich gemacht.

 

Ich könnte weinen Tag und Nacht.

 

 

 

Du hast die Welt so hart geschaffen.

 

Ich kann nicht kämpfen, gar mit Waffen.

 

 

 

Ich kann zwar furchtbar zornig werden,

 

doch will ich dabei immer sterben.

 

 

 

Ach bitte, bitte nimm mich heim!

 

Lass mich bei dir alleine sein!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einfach

 

 

 

Wir streiten.

 

Ich renne wütend davon.

 

Irre weinend umher.

 

 

 

Wie kann ich mich

 

sicher, schnell und

 

möglichst ohne Schmerzen

 

umbringen?

 

 

 

Die kahlen Bäume

 

starren in den Himmel.

 

Ich starre sie an.

 

 

 

Sie sind einfach da,

 

einfach so.

 

 

 

Und ich?

 

Ich mit meinem ständigen Wollen

 

und Nichtwollen?

 

 

 

Ist nicht alles, dieses All,

 

Leid und Freude

 

einfach da?

 

 

 

Ich kehre zurück.

 

Bin eifach da

 

wie unsere Verstimmung.

 

 

 

Was geht sie den Bäumen an

 

und dem All?

 

Was geht sie uns an?

 

Was gehen wir uns an?

 

 

 

Wir sind einfach da

 

samt unserer Betroffenheit,

 

samt unserem Wollen und Nichtwollen

 

und unserem Tun und Unterlassen

 

sowie unserem Wissen und Nichtwissen.

 

 

 

Und einmal einfach nicht mehr da.

 

Samt unserem Nichtwissen,

 

was Sein und Nichtsein eigentlich ist.

 

 

 

Einfach da!

 

So einfach!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu Gott führt kein Eingang

 

sondern ein Ausgang

 

 

 

Ich habe an deine Türe geklopft.

 

Ich habe an deine Türe geschlagen.

 

Ich habe an deiner Türe gerüttelt.

 

Ich habe an deiner Türe geschrien.

 

Sie öffnete sich nicht.

 

Ich fiel vor sie hin.

 

Und als ich aufstand und ging,

 

schien der Weg so weit

 

wie die Ewigkeit

 

hinter deiner Türe.

 

 

 

 

 

 

 

Einsam und allein

 

 

 

Einsam bin ich unter Menschen.

 

Bin am liebsten ganz allein,

 

nicht, um selbst mich zu bekränzen,

 

auch nicht, um mich auszugrenzen,

 

nein: um so wie ich zu sein.

 

 

 

Kann nicht so wie and´re sein:

 

ganz dem Leben hingegeben.

 

Leb´ mich nicht im Leben ein,

 

staune, spiele mit dem Schein,

 

leide an der And´ren Leben.

 

 

 

 

 

 

 

Einsame Spaziergänger

 

 

 

Zwei Leben kreuzen sich

 

in einem kurzen Gruß.

 

Ob´s bloßer Zufall war?

 

Die Höflichkeit war Muss!

 

 

 

 

 

 

 

Einsamer Sinn

 

 

 

Und jeder nimmt wahr

 

und denkt und fühlt.

 

Und keinem ist klar,

 

was sein Leben spielt.

 

 

 

Er ist einfach da

 

und irgendwann weg.

 

Das Herz schlägt nah,

 

doch fehlt ferner Zweck.

 

 

 

Und Gott mag ja sein

 

als letzter Sinn,

 

doch ganz allein

 

nur so vor sich hin?

 

 

 

 

 

 

 

Einsamkeit

 

 

 

Es sehnen sich ewig

 

der denkende Geist

 

und die fühlende Seele,

 

allein zu sein.

 

 

 

Denn eines nur seh´ ich,

 

das aber nichts heißt,

 

wo ich seiend fehle

 

mit mir allein.

 

 

 

In Stille nur regt sich,

 

was dorthin verweist,

 

wo ich nichts mehr verhehle:

 

in mir daheim.

 

 

 

 

 

 

 

Elend

 

 

 

Ihr lächelt nur verlegen,

 

wenn wir,

 

die Weinenden der Welt,

 

im Selbstgespräch den Regen

 

wie unser Leben

 

mit Gier

 

aus unseren bebenden Händen

 

immer wieder trinken,

 

bis unsere matten Arme sinken.

 

Und ihr?

 

Euch muss die Sonne blenden,

 

wenn euch das Leben quält.

 

 

 

 

 

 

 

Elysium

 

 

 

Steige in die Wolken ein,

 

trete durch das Lichtgeschimmer,

 

fass die Schatten deiner Finger,

 

schwebe über dein Gebein!

 

 

 

Atme diese Schleier nimmer,

 

wein´ die Augen himmelrein!

 

 

 

 

 

 

 

Elysium

 

 

 

Auch schläft der Tod

 

und träumt das Leben.

 

Er träumt die Schatten

 

der Zypressen.

 

Und träumt, das Leben

 

zu vergessen.

 

 

 

Im Fieber flicht er

 

Lorbeerkränze

 

und weint die Trauben

 

an die Reben,

 

reiht ein sich

 

in die Reigentänze.

 

 

 

Er träumt, die Träume

 

zu vergessen.

 

Und träumt,

 

wie dunkel die Zypressen

 

dem Licht entgegenstreben.

 

 

 

Steige in die Wolken ein!

 

Trete durch das Lichtgeschimmer!

 

Fass´ die Schatten deiner Finger!

 

Schwebe über dein Gebein!

 

 

 

Atme diese Schleier nimmer!

 

Wein´ die Augen himmelrein!

 

 

 

 

 

 

 

Ende

 

 

 

Dann gehst du weg.

 

Die Abendsonne sinkt.

 

Ein kühler Wind

 

läßt Äste winken.

 

Du siehst an einem Kind vorbei;

 

dein Lächeln würde sonst

 

in Tränen wohl ertrinken.

 

 

 

Nach Stunden

 

bist du dann so weit,

 

erstarrst im Dunkel,

 

bist zu zweit.

 

Da stehst du

 

und dein Ich daneben.

 

Du schaffst es weg

 

und willst nicht überleben.

 

 

 

 

 

 

 

Endgültig

 

 

 

Dürstend führ` ich mit hohlen Händen

 

kühles Wasser zum zitternden Mund.

 

Nicht lässt die lechzende Seele sich tränken!

 

Rasendes Herz schlägt die Brust mir wund.

 

 

 

Heiß brennt die Sehnsucht nach schnellem Tod.

 

Diese Wunden können nicht heilen!

 

Blutend im Abend-und Morgenrot

 

Tag und Nacht ineinander enteilen.

 

 

 

 

 

 

 

Endlich

 

 

 

Einfach loslaufen,

 

durch Tag und Nacht,

 

durch Sonne und Regen,

 

durch Hunger und Durst,

 

durch Dreck und Tränen,

 

einfach weg,

 

und irgendwo,

 

ganz allein,

 

endlich

 

für immer weg sein,

 

wie ohnehin dereinst.

 

 

 

Süße Rache

 

am Fluch der Geburt!

 

 

 

 

 

 

 

Endzeit

 

 

 

Die Zeit wird immer

 

geiziger und giert

 

nach Vergessen.

 

 

 

Hastig nestelt

 

vertrocknete Hand

 

über die blinden Perlen

 

verweinter Kette

 

im stammelnden Flehen

 

nach erlösendem Fluch.

 

 

 

Kopfschüttelnd verliert

 

in zeitloser Folge

 

ein monströser Schatten

 

pechschwarzes Haar.

 

 

 

 

 

 

 

Endzeitstimmung

 

 

 

So wohl erscheinen die letzten Tage:

 

Die langen Schatten als Trauerflore gedacht.

 

Graue Bäume raunen die Sage:

 

Nur noch Tage folgen der letzten Nacht!

 

Lockeren Kranz als die letzte Gabe

 

wirbelt ein Wind in die toten Blätter ganz sacht.

 

 

 

 

 

 

 

Engel der Nacht

 

 

 

Traumengel der Nacht

 

flügellos

 

flüchtende Fantasien

 

scheu im  Schutz

 

des Schattens des Todes

 

verlorene Getriebene

 

teuflischen Lichtes

 

der unaufhaltsamen Tage

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidung?

 

 

 

Es quält mich das Leben Tag für Tag,

 

Stunde um Stunde, Schlag auf Schlag!

 

 

 

Mit brennenden Augen und nassem Gesicht

 

heule ich auf, aber wage es nicht,

 

den heiß ersehnten Tod mir zu geben.

 

Ist er Erlösung von diesem Leben,

 

erleben werde ich sie nicht mehr.

 

Ach, wie fällt die Entscheidung so schwer!

 

 

 

Sie wird mir ja einmal abgenommen.

 

Gott! Lass mein Sterben doch jetzt schon kommen!

 

 

 

Ich weiß ja nicht, ob mein freier Tod

 

Gnade ist, Sünde oder Gebot!

 

 

 

Du schweigst und bestrafst jedes Überleben,

 

hast es jedoch immer wieder gegeben!

 

 

 

Zur Qual oder aber zu welchem Segen?

 

 

 

 

 

 

 

Erbarmungslos

 

 

 

Aus ihren Augen starrt

 

die Selbstverständlichkeit,

 

geboren worden zu sein

 

und geboren bleiben zu wollen,

 

die Selbstverständlichkeit,

 

sterben zu müssen,

 

ohne nicht mehr zu sein,

 

obwohl einmal nicht gewesen,

 

die Selbstverständlichkeit

 

eines Sinnes in allem

 

und einer Wahrheit,

 

trotz allem,

 

wenn nicht im Leben,

 

so danach erfahrbar,

 

die Selbstverständlichkeit

 

nach Glück zu streben,

 

das, wenn erreichbar,

 

doch nicht reicht.

 

Aus ihren Augen starrt

 

die Selbstverständlichkeit

 

hinter den lachenden und weinenden Blicken

 

dies Nicht- anders- Könnens.

 

Erbarmungsloses Sein!

 

 

 

 

 

 

 

Erbärmlicher Gott

 

 

 

Was ist das

 

für ein erbärmlicher Gott,

 

der genau so

 

wie die klägliche Krone

 

seiner Schöpfung:

 

ist und will und kann,

 

nur alles eben super

 

und selbst ungeschaffen,

 

aber über sich:

 

das Sein, sein Sosein

 

und die Dichotomie

 

von Gut und Böse!

 

 

 

 

 

 

 

Erfüllter Traum

 

 

 

Du irrst im Schatten eines längst vergess´nen Traumes.

 

Dann schläfst du ein und träumst von Früchten eines Baumes

 

im Garten Eden, isst die Frucht vom Baum des Lebens

 

und träumst und wachst nicht mehr. Und doch war nichts vergebens.

 

Erinnerst dich an jenen längst vergessenen Traum.

 

Er ist jetzt wahr: Erkenntnis nicht vom anderen Baum.

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerung

 

 

 

Wo ist das geblieben,

 

was ich hab´ erlebt?

 

Aus der Zeit vertrieben,

 

ins Gehirn gewebt,

 

ganz vom Leid geschieden,

 

sehnsuchtsvoll gepflegt!

 

 

 

Einmal sterben wir,

 

ich und meine Zeugen.

 

Dann ist's nur erzählt,

 

nie und nirgends hier.

 

Hat nichts zu bedeuten,

 

Worte ohne Welt!

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerungen an den Nachmittagsunterricht

 

 

 

Nasse Dächer,

 

nasse Straßen.

 

Ungetröstet im Regen

 

weint durch den tränenlosen Tag

 

der prüfungsfreien Erwachsenen

 

die Angst fiebernd

 

der strengen Schule entgegen.

 

 

 

Und morgen krallt sie

 

in traumhell flimmernder Hitze

 

pochend

 

die atemlose Brust.

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerungen an Komotini

 

 

 

Abend schleicht durch weiße Mauertäler.

 

Dumpfer Bass ertönt aus einem Keller.

 

 

 

Ahnen flüchtet zwischen Schmerz und Traum.

 

Schatten klemmen zwischen Zeit und Raum.

 

 

 

Leise Klage ruft versäumte Freuden.

 

Minaretts auf Unsichtbares deuten.

 

 

 

Warme Luft steht wartend vor Portalen.

 

Mückenschwärme suchen helle Hallen.

 

 

 

Kauernde Kokons in langen Reihen

 

mögen meinen Fensterblick verzeihen.

 

 

 

Schleieraugen schließen ihre Lider.

 

Lähmend starrt ein Sternenhimmel nieder.

 

 

 

 

 

 

 

Erinnerungen

 

 

 

Die Blüten

 

auf den Ruinen der Vergangenheit

 

umflattert ein Falter

 

und lässt sich auf deinen Armen nieder,

 

in die du deinen Kopf vergraben hast,

 

ohne dass du ihn spürst

 

in seiner Farbenpracht.

 

 

 

Und nun, da du den Kopf hebst

 

und in die Ferne blickst,

 

ist er unerinnert zurückgekehrt.

 

 

 

Still weint hinter dir

 

ein flügelloser Engel

 

Tränen deiner Zukunft.

 

 

 

 

 

 

 

Erkenntnis II

 

 

 

Im Lachen erkennen wir die Welt

 

(in ihrer Absurdität),

 

im Weinen Gott

 

(in seiner Unbegreiflichkeit),

 

im Traum uns selbst

 

(in unserer Tiefgründigkeit),

 

und aus dem Spiegel blicken wir uns

 

tot entgegen

 

(wie wir im Raum nicht sein können und

 

in der Zeit nie sind)!

 

 

 

 

 

 

 

Erleuchtung

 

 

 

Er legte sich rücklings auf die Erde

 

und nahm den Himmel in sich auf.

 

Dann sah er nur noch Licht,

 

das ihm sogleich die Augen schloss,

 

um ihn im Dunkeln zu belassen.

 

So ist's Erleuchteten bestimmt!

 

 

 

 

 

 

 

Erlösung

 

 

 

Zünd´ ruhig ein  Licht an in der Finsternis,

 

die Tränen trocknet erst der Schlaf!

 

 

 

Glaub´ ruhig an  Glück in deiner Bitternis,

 

Erlösung durch den Tod dir schaff´!

 

 

 

Ein Gott hat Tod und Leben dir gegeben

 

zur freien  Wahl, bis er dir nimmt das Leben.

 

 

 

 

 

 

 

Erlösung? III

 

 

 

Ich sah in ein entsetzlich leidendes Gesicht.

 

Doch, der es trug, nahm sich das schlimme Leben nicht.

 

Ich fragte ihn, warum er sich den Tod nicht schenkt.

 

Er lächelte: „Erlösung ist dem Toten fremd!

 

 

 

 

 

 

 

Erlösung?

 

(Eine Geschichte zwischen Sein und Nichtsein)

 

 

 

Pers,  nach Erlösung von seinem leidvollen Leben lechzend, hatte sich dieses nur aus rein logischen Gründen noch nicht genommen.Denn, so fragte er sich, wie sollte er durch den Tod vom Leben erlöst werden können, wenn er eben wegen dieses Todes die Erlösung ja gar nicht mehr mitbekommen würde? Es erschien ihm schlankweg als naiv, irgendwelche Erwartungen über sein Leben hinaus zu hegen, da doch alle seine Vorstellungen, Empfindungen und Gedanken an sein Leben geknüpft seien und dies sogar für diese Überlegung selbst gelte, so das sich wegen dieses Denkzirkels schon überhaupt kein gedanklicher Ausweg bieten könne und ein solcher, wenn er sich doch böte, ja auch nur dem lebenden Gehirn entspränge und daher nichts für den Tod bedeutete. Der Glaube an ein Leben nach dem Tod erschien ihm schon deswegen als aberwitzig, weil ihm keiner der Gläubigen sagen konnte, weshalb es ausgerechnet ein Leben nach dem Tod und nicht (auch) ein Leben vor dem Tod geben sollte. Das „ewige Leben“ war für ihn lediglich eine Übertragung unserer Vorstellungen von Raum und Zeit, ja überhaupt von einem Sein, über unseren Erfahrungsbereich, aus dem sie gewonnen worden sind, hinaus, die der Unvorstellbarkeit unseres Nichtseins, ja des Nichtseins überhaupt, entspringe, wobei er freilich zugestehen musste, dass auch diese Analyse nur Produkt eines lebenden Gehirns war.

 

 

 

Pers war indes Mensch genug, um sich mit seinem Gedankendilemma nicht abfinden zu können. Er bemühte sich daher um praktische Versuche, seinen Tod so weit zu simulieren, um sich wenigstens den Hauch einer Todeserfahrung oder eine etwas konkretere Ahnung vom Nichts nach dem Tod zu vermitteln. Dabei ging er von der Erfahrung aus, dass nichts auf der Welt etwas anderem gleich, aber alles allem ähnlich ist. So schien ihm der Schlaf eine Analogie zum Tod zu sein. Das würde bedeuten, dass sich mit dem Tod wie mit dem Schlaf die Bewusstseinsebene ändert. Doch bringt der Traum, solange er währt, eine Erlösung vom Wachsein, so dass auf eine Erlösung vom Leben durch den Tod geschlossen werden könnte? Der Traum kann zweifellos Negativerlebnisse euphorisieren, muss es aber nicht.Und selbst wenn er es tut, ist man sich dessen im Traum ja nicht bewusst. Man träumt zwar manchmal, dass man träumt, aber immer nur in dem Sinn, dass man im Traum erkennt, dass man ja NUR träumt. Eine solche Traumerfahrung ist also gerade nicht erlösend.

 

 

 

Pers trainierte daher, nicht nur zu träumen, dass er nur träume, sondern zu träumen, dass er nicht nur träume, um schließlich auch träumen zu können, dass er wirklich sterbe. Mitunter träumt man zwar den eigenen Tod, aber immer nur – meist kurz nach dem Einschlafen – als schockartiges Getötetwerden mit der Folge des Erwachens. Pers übte deshalb, sich vor dem Einschlafen sein natürliches Ableben auf dem Todeslager oder seinen Selbstmord zu suggerieren, damit dieser Wachtraum im Schlaftraum ohne sein Zutun quasi als Eingebung weiterverfolgt würde.

 

 

 

Ab und zu träumt man ja von Verstorbenen, die man ergebnislos befragt, wie es denn nach dem Tod sei. Meist folgt auf eine solche Frage irgendeine schroffe Abweisung, immer jedenfalls schließlich ein Szenenwechsel. Sollte es Pers gelingen, im Traum vom eigenen Tod zu erfahren?

 

 

 

Wenn man träumt, dass man träumt, träumt man schließlich das (im Traum hinausgezögerte oder gewollte) Erwachen, oder man erwacht tatsächlich. Als es Pers  nach jahrelangen vergeblichen Versuchen endlich einmal – nur schwer erinnerlich – gelungen war, zu träumen, tot zu sein, träumte er, dass er dies nur träume, erwachte im Traum, träumte, dass er nur im Traum erwacht sei, erwachte tatsächlich, hielt dies aber nur für einen Traum, in dem er auch nur geträumt habe, nur zu träumen, und war daher überzeugt, wirklich tot zu sein.

 

 

 

Woher man das alles weiß, obwohl Pers das konsequenterweise doch nicht mehr mitteilen konnte? Die Frage kann unbeantwortet bleiben, da die Antwort dahinstehen kann, denn jedenfalls können wir wie bei einem echten Toten auch bei Pers nicht wissen, ob er sich erlöst weiß. Allein darauf käme es aber an! Sonst hätten wir diese Geschichte gar nicht beginnen zu brauchen. Und müssten sie jetzt nicht so unbefriedigend schließen.

 

 

 

 

 

 

 

Erlösungsglaube ist kein Trost

 

 

 

Am Anfang war die Frage,

 

und am Ende war sie geblieben.

 

Verstummt nur sind die Tage

 

mit den Freuden, Trosten und Lügen.

 

Das Leben bleibt Rätsel der Plage,

 

und Erlösung kann lediglich siegen.

 

Erst senkt sich die Lebenswaage.

 

 

 

 

 

 

 

Error

 

 

 

Ich bin ein Irrtum der Natur,

 

sogar ein Irrtum meiner selbst.

 

Ich lebe mich als Schachfigur,

 

die liegend über´s Brett sich wälzt.

 

Bin wohl genommen aus dem Spiel,

 

doch nicht entfernt, ein Teil zu viel!

 

 

 

 

 

 

 

Erst der Blick schafft das Glück

 

 

 

Wie wunderschön die Blume blüht,

 

gewachsen aus der dunklen Erde,

 

auch wenn sie niemals jemand sieht,

 

als ob sie sich um sich nicht scherte.

 

 

 

Gewiss, Insekten zieht sie an,

 

sie sollen weiter sie verbreiten.

 

Doch Schönheit gibt es nur im Wahn

 

der Freude und der vielen Leiden.

 

 

 

Will denn Verwelkung sich uns zeigen?

 

 

 

 

 

 

 

Ertrinken

 

 

 

Hechelnd hetzt die würgende Verzweiflung

 

durch die engen Gänge und Winkel

 

des feuchten Gemäuers

 

mit tosendem Blut und pochenden Wunden,

 

bricht in mondbleicher Stille

 

durchs modernde Gehölz.

 

 

 

Schlangen stieben hinweg,

 

und der gellende Schrei ohnmächtiger Wut

 

verhallt hinter dem fernen, düsteren Gewölk.

 

 

 

Schwärmendes Gefieder in stehender Luft

 

jagt Nachtschatten über sinkendes Land.

 

Und ein Wasser, schwarz und silbern,

 

steht aus Unendlichkeiten heran.

 

 

 

Hier kommt die Schuld des Ungewollten

 

zum Stehen und erstarrt:

 

ein Gesicht,

 

ausdruckslos, oh Seele,

 

dein fahles Gesicht

 

im ruhig schwankenden Spiegel.

 

 

 

 

 

 

 

Erträglich

 

 

 

Du siehst im Unheil keinen Sinn?

 

Was ist daran denn zu beklagen?

 

Kein Sinn hat letztlich einen Sinn.

 

So lässt das Unheil sich ertragen.

 

 

 

Gott ist zu keinem Sinn gezwungen,

 

die Schöpfung daher nicht misslungen.

 

Auch wir sind nicht in Sinn gefangen.

 

Ein freier Sinn muss sich nicht bangen!

 

 

 

 

 

 

 

Erzkind,
aus dem Dornbusch auffliegend,
abstürzend in den Dornbusch,
verblutet engelhaft.

 

 

 

 

 

 

 

Etsi aliquid daretur

 

 

 

Endlich keine Hoffnung mehr,

 

endlich das ehrliche Gefühl,

 

dass nichts mehr sein wird,

 

dass einfach war, was war!

 

 

 

Endlich die Freiheit

 

trotziger Verneinung dessen,

 

was von einem erwartet wird!

 

 

 

Endlich allein,

 

endlich sein Selbst

 

ins Reich der Phantasie verweisen!

 

 

 

Endlich unendlich traurig sein

 

ins trauerlose Nichts hinein,

 

als ob es etwas gäbe!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schweigen

 

 

 

Was ist der Raum, was ist die Zeit,

 

Unendlichkeit und Ewigkeit?

 

 

 

Beschreibe Farbe und Gestalt,

 

Gefühl von Liebe und Gewalt!

 

 

 

Erkläre  Ton, Geruch, Geschmack!

 

Ob man zu denken auch vermag,

 

was man ins Wort nicht fassen kann?

 

Was ist und soll das alles dann?

 

 

 

Sag´: Was ist Nichts und was ist Sein,

 

so einfach da, ganz von allein?

 

 

 

Warum denn auch gerade so?

 

Und warum fragen wir uns, wo

 

doch letztlich alles einfach schweigt,

 

wie vor uns schon seit Ewigkeit?

 

 

 

 

 

 

 

Ewiges Leben

 

 

 

Dein Geist, der dich beseelt,

 

ist nicht in Raum und Zeit gefangen.

 

Wo soll er also hingelangen,

 

damit er, stirbst du, fehlt?

 

 

 

 

 

 

 

Fabel

 

 

 

Der hochgelobte König zog durchs Land. Am Rand der Landstraße kauerte ein weitbekannter Taugenichts. Als der König vorbeiritt, erfasste den Taugenichts der Neid, und er rief dem König, um ihn zu ärgern, nach: „Seit wann reiten Esel auf Pferden?“

 

 

 

Der König wusste genau, dass er kein Esel war. Er wusste auch, dass dies der Taugenichts genau wusste und ihn nur ärgern wollte. Der König hielt im übrigen gar nichts von einer Einschätzung seiner Person durch Taugenichtse und war überhaupt in seinem Selbstwertgefühl auf positive Beurteilungen längst nicht mehr angewiesen.

 

 

 

Trotzdem erwies er dem Taugenichts den Gefallen und ärgerte sich darüber, dass er sich ärgern sollte. Er ließ daher den Taugenichts festnehmen, in den Kerker werfen und zur Abschreckung für alle, die ihn ärgern wollten, öffentlich hinrichten, um nie mehr den Wunsch erfüllen zu müssen, sich zu ärgern.

 

 

 

Vor dem Schafott schrie der Taugenichts laut in die gaffende Zuschauermenge: „Ich habe den König einen Esel genannt und, obwohl ich sonst zu überhaupt nichts tauge, getroffen. Mich hätte er getroffen, wenn er mich einen Taugenichts gescholten hätte.“

 

 

 

 

 

 

 

Fall und Flug

 

 

 

Alles gleicht allem,

 

doch nichts ist anderem gleich.

 

Wenn wir auch fallen,

 

wir fallen auf Fallendes weich,

 

 

 

fallen unendlich,

 

und letztlich ist es ein Flug,

 

jetzt schon erkenntlich

 

am Fall im fahrenden Zug:

 

 

 

Von draußen erscheint er – hab´ Acht! -

 

als Kurve, die verflacht,

 

sich horizontal erhebt,

 

je schneller der Zug sich bewegt.

 

 

 

 

 

 

 

Fall

 

 

 

Sich heben

 

in sinnlosem Streben,

 

gefangen im Leben.

 

 

 

Seelenfalter

 

können nicht fallen,

 

flattern bei allen

 

Qualen.

 

 

 

Gefaltet, ergeben

 

am Boden gelegen,

 

zertreten.

 

 

 

 

 

 

 

Falscher Ort

 

 

 

Er betrat das Lokal. Alle Blicke richteten sich auf ihn. Der Kellner eilte auf ihn zu und forderte ihn auf, das Lokal wieder zu verlassen; er sei hier wohl nicht am richtigen Ort.

 

Er nickte und fügte sich, hatte nichts anderes erwartet. Vor dem Lokal brach er zusammen.

 

Es gab keinen richtigen Ort für ihn.

 

 

 

 

 

 

 

Falterhände

 

 

 

Ich forme zum Blütenkelch die Hand.

 

Sie kühlt der Tau der Seelennacht.

 

Und während ich sie dem Himmel zuwende,

 

entfaltet sie sich mit sanfter Macht

 

zum Falter, flatternd ohne Ende.

 

 

 

 

 

 

 

Fantasie

 

 

 

Hauche den Nebel der Fantasie

 

ruhig über das, was wirklich ist,

 

aber vergiss die Wirklichkeit nie,

 

denn sie duldet nicht ewig die List!

 

 

 

 

 

 

 

Faszination des Morbiden

 

(Lindelburger Reminiszenzen)

 

 

 

Rätsel der Vergangenheit,

 

ein Rätsel ist die Zeit:

 

verwahrloster Garten,

 

morsche Latten,

 

rostiger Draht,

 

verwachsene Wege,

 

Spuren von Beeten,

 

gebrochenes, abgesacktes Pflaster,

 

verwitterte Laube,

 

verblichene Farben,

 

leise geahnte Laute,

 

vergangener Festrausch.

 

 

 

Warum hatte man gelebt?

 

Ein funktionsloser Rohrstumpf

 

sich aus dem Boden erhebt.

 

Das Haus, rissig und grau,

 

rostige Halter fehlender Fensterläden,

 

Porzellanrelikt

 

einer elektrischen Freileitung.

 

Der Haustorriegel

 

hat einen Kreis

 

in den Putz graviert.

 

Knarzende, ausgetretene Treppen,

 

Geruch jahrhundertelanger Reinigung,

 

verziertes Holz, geplatzter Lack,

 

erblindetes Glas,

 

strenge Höhe des düsteren Raums:

 

So war's.

 

 

 

Und erst heute,

 

perfekt bebaut,

 

ist's ein Ort des Grauens.

 

 

 

 

 

 

 

Feierabend

 

 

 

Spät am Abend verschließt er das Tor der Stätte verzweifelten Wirkens.

 

Und auf der Heimfahrt irrt er gedankenverloren auf Straßen des Nirgends.

 

Endlich zuhause, erkennt er nichts, sondern träumt sich die Wut des Erwürgens.

 

 

 

 

 

 

 

Feinsinnig

 

 

 

Herr M. hatte seinen Balkonpflanztrog in diesem Jahr besonders originell angelegt. Da war ein Stecken in die Erde gerammt. Über die Spitze war ein Eimer gestülpt. Da war ein weiterer Stecken. An dessen Spitze flatterte ein verschnäuztes Taschentuch. An einem anderen Stecken wiederum baumelte ein grüner Büstenhalter. Da war noch ein Stecken. An dem war ein anderer Stecken angebracht. Wieder an einem anderen Stecken war nichts angebracht.

 

 

 

Kurzum: ein Blickfang für die Nachbarn, zumal der grüne BH, wussten sie doch, dass Herr M. ledig war. An dem Stecken mit dem BH hing daher nicht nur dieser, sondern es hingen an ihm auch die Blicke der Nachbarn. Der Hausmeister las es von ihren Augen ab: Dieser Balkon sprengte – trotz des Grüns des BH´s -  das Gesamterscheinungsbild der übrigen bepflanzten Balkone dieser Wohnanlage. Er prägte sich ein: „gesprengtes Gesamterscheinungsbild“ und läutete bei Herrn M., wild entschlossen, dort eine lange Rede mit gesprengtem Gesamterscheinungsbild zu halten.

 

 

 

„Grüß Gott, Herr Hausmeister!“, empfing ihn Herr M. erwartungsvoll, „Ich nehme an, Sie wollen zu mir?“ „Jawoll, und net z´ weni!“, tönte es aus dem Hausmeister drohend: „Dacht´ ich mir´s doch!“, sponn Herr M. den Gesprächsfaden feinsinnig weiter, „Ich habe daher die Gläser schon bereitgestellt.“ Herr M. wies mit einladender Geste in das geöffnete Wohnzimmer: „Nix für ungut“, schnurrte es aus dem Hausmeister behaglich, während es ihn ins Wohnzimmer zog.

 

 

 

Der Tisch war besonders originell gedeckt. In der Mitte ragte ein Stecken empor. Über den war ein alter Socken gestülpt. „Hoppla!“, dachte es im Hausmeister drinnen, und „Oba des hätt´s do net braucht“, kam es aus ihm heraus. Er war so frei, vor einem der beiden leeren Weingläser Platz zu nehmen, riss von diesem den sehnsüchtigen Blick mit geballtem Anstand los und ließ ihn über die zahlreichen Zimmerstöcke schweifen, über die die ganze Unterwäsche des Herrn M. und ein Großteil seines Hausrates verteilt zu sein schienen.

 

 

 

Herr M. gruppierte mit flinken Händen noch einige dieser Stöcke um den Tisch, was ein „ Etz goar!“ des Hausmeisters in der flugs entstandenen Laube auslöste; dann fragte er diesen feinsinnig, ob er etwas trinken wolle. „Und net z´ weni!“, schluckte dieser hinunter und stieß mit einem donnernden „Naa“ auf, welches er mit einem barschen „Danke!“ verpfropfte. Herr M. entschuldigte sich, er habe dem Hausmeister selbstverständlich nichts aufdrängen wollen.

 

 

 

Der Hausmeister erbrach nun röhrend seine Rede: „Es draht si nämli um des Dings da.“ Auf seiner Zunge blieb das gesprengte Gesamterscheinungsbild liegen. „Des Dings, wissen´s scho. I sog´s , wia´s is.  A solchenes Dings, i bin nämli im Dienst, und Dingst is Dings, wissen´s, d´Leit, zwengs dem Buidl, dera Explosion da...“  Erschöpft griff er zum Glas.

 

 

 

Mit feinsinnigem Gespür für die Situation schaffte Herr M. flugs Wein herbei. Mit feinsinnigem Gespür für das Anliegen seines Gastes hauchte er dabei, dass er selbstverständlich den Klagen über das gesprengte Gesamterscheinungsbild der Wohnanlage Rechnung tragen wolle. Und mit feinsinnigem Gespür für das Machbare entledigte er den Balkon sogleich eilends allen Zierrats und übergab dem Hausmeister den grünen BH, damit er ihn seiner Frau wieder zurückbringe.

 

 

 

 

 

 

 

Nürnberg, Fenitzerstraße

 

 

 

Fassaden aus der Gründerzeit

 

atmen am Abend Gemütlichkeit.

 

 

 

Aus reich verzierten Fenstern bricht

 

wohnlich mattes, gelbes Licht.

 

 

 

Und hinter den dicken Mauern geborgen

 

lindert Vergangenheit jetzige Sorgen.

 

 

 

 

 

 

 

Fenster

 

 

 

Was hast du angestellt?

 

Durchs Fensterglas,

 

von dem der Regen rinnt,

 

blickt ein Gesicht dich an

 

und weint.

 

Und du?

 

Schlägst mit der Faust durchs Glas

 

und lässt dich lebenslang verbluten.

 

Ein Spiegel war's, das Fensterglas:

 

Das bleibt dir, zu vermuten.

 

 

 

 

 

 

 

Fest der Kadenzen

 

 

 

Unzählige Vögel breiten die Flügel aus

 

und verdunkeln den Himmel,

 

damit sie nicht fallen.

 

 

 

Mit gefalteten Schwingen

 

lässt sich's ein Vogel,

 

ohne zu singen,

 

im Geäst gefallen,

 

schließt die Augen,

 

ohne zu fallen.

 

 

 

Alle Menschen breiten die Arme aus

 

und klagen zum Himmel

 

dunkle Lieder,

 

umschlingen sich singend.

 

Im Dunkeln sinkend

 

fallen sie

 

immer wieder

 

sich in die sinkenden Arme.

 

 

 

Die Vögel fallen vom Himmel

 

und einer vom Geäst,

 

Gefallen zu finden,

 

zu fallen ganz fest.

 

 

 

 

 

 

 

Fest

 

 

 

Am Rande des Festes blicke ich wie vom Himmel:

 

Wie sinnlos ist doch das Treiben und dieses Getümmel!

 

So rührend, sich Freude zu schaffen, um all das Leid

 

des Lebens zu überlisten für kurze Zeit!

 

Doch kommt der Glanz der Augen, welche jetzt leuchten,

 

von Tränen, welche die Wangen morgen befeuchten!

 

 

 

 

 

 

 

Fest

 

 

 

Ich ziehe mich vom Fest zurück,

 

begebe mich in die Natur.

 

Ich finde hier wie dort kein Glück.

 

Ich weine nicht, sinniere nur

 

und komme wieder bald ins Träumen,

 

mein Weg, mein Leben zu versäumen.

 

Und irgendwann kehr´ ich dann heim

 

und feiere weiter ganz allein.

 

 

 

 

 

 

 

Finstere Zeit

 

 

 

Gewaltig dämmern jetzt

 

die Nächte heran.

 

In sie heulen hinein

 

die schnellen Tage,

 

Zeugen ihrer eigenen Träume

 

von der Finsternis,

 

dem in sich gefangenen Wind des Nichts,

 

aus dem das Licht gefror.

 

War sie wirklich zuerst?

 

 

 

 

 

 

 

Finsternis

 

 

 

Wie Luft kann doch Finsternis sein.

 

Träume nur etwas hinein!

 

 

 

Ach, träume dein weiters Leben!

 

Sieh´! Vom Tod ist´s gegeben.

 

 

 

Er hält es in der Hand.

 

Nimm´s, noch vom Traum gebannt!

 

 

 

Wach´ auf! Bist du noch am Leben?

 

Ja, ich "nahm" mir´s soeben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fluch der Sinnhaftigkeit

 

 

 

Gott hat in seiner Allmächtigkeit

 

die Welt verflucht

 

und damit sich selbst.

 

Nie hat er in seiner Allwissenheit

 

sie zu retten versucht

 

und damit sich selbst.

 

Sinn nämlich ist eine Frage der Zeit,

 

die Gott widerruft.

 

Er hat ihn nicht selbst.

 

 

 

 

 

 

 

Fluch Gottes

 

 

 

Wo im Wind das Wasser wogt,

 

kannst du dich ertränken.

 

Wo der Felsenabgrund droht,

 

mag dein Leben enden.

 

Wo Verkehr auf Straßen tobt,

 

kannst den Tod dir schenken.

 

Wo sich Gott verflucht, gelobt

 

Wahn, dich zu versenken

 

 

Fluch

 

Ungefragt in das Leben gezeugt,

ohne Schuld gequält und gebeugt,
fragend geschaffen, ohne Antwort zu erhalten,
leben nur, um im Tod zu erkalten,
nicht einmal, um Erlösung zu finden,
kann man sie doch im Tod nicht empfinden!

Fluch um Fluch, so verflucht ist das Leben,
mag es Gott als Schuldigen geben!
Nicht einmal, sich selbst zu töten,
bleibt als Ausweg aus den Nöten.
Denn vielleicht wird es noch schlimmer.
Schweigen daher Tote immer?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Flucht und Rückkehr

 

 

 

Die Sonne brennt mir ins Gesicht.

 

Ich möchte weinen, tu es nicht.

 

 

 

Ein warmer Wind verweht mein Haar.

 

Ich kann nicht leben, ist mir klar.

 

 

 

Ich lass mich von den Füßen tragen.

 

Ach, könnte ich das Sterben wagen!

 

 

 

Die Wolken zieh´n wie ich dahin.

 

Doch haben sie sich nicht im Sinn.

 

 

 

Und unberührt starrt Feld und Flur.

 

Was hält mich denn am Leben nur?

 

 

 

Ein Bach fließt munter neben mir.

 

Auch ohne Willen lebt das Tier.

 

 

 

Ich tauche ein in einen Wald,

 

und meine Schritte machen Halt.

 

 

 

Die Wipfel wiegen sich im Wind.

 

Nicht weil sie können. Weil sie sind!

 

 

 

Ich nicke, Heimkehr schon im Sinn:

 

Ich kann nicht leben, doch ich bin.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Flugterror

 

 

 

Ich hör´den Himmel ständig fluchen.

 

Der Flugverkehr setzt niemals aus.

 

Betäubt will ich die Ruhe suchen.

 

Bleibt nur, den Todesflug zu buchen.

 

Der Lärm dringt bis ins Leichenhaus.

 

 

 

 

 

 

 

Flüge

 

 

 

Wir alle haben Flügel,

 

die Flügel unserer Fantasie.

 

Wir hoffen, sehnen und wir träumen

 

und fliegen in ein Paradies,

 

in die Erlösung Tod.

 

Auch der ist Fantasie,

 

denn wir erleben ihn ja nie.

 

Doch fliegen wir auch ganz real

 

auf unserer Erde durch das All,

 

und Tod und Leben sind egal!.

 

 

 

 

 

 

 

Frage an das Nichts

 

 

 

Was können wir dafür,

 

dass wir geboren worden sind?

 

Im Leben leiden wir,

 

obwohl der Tod es wieder nimmt!

 

 

 

Wir sind nur deshalb hier,

 

weil uns das Nichts als Sinn bestimmt,

 

wie Luft sich regt im blinden Wind.

 

 

 

Am Anfang war das Wort,

 

es blies den Namen Nichts sich fort.

 

Jetzt steht nicht nichts mehr dort!

 

 

 

 

 

 

 

Frage und Antwort

 

 

 

Die Fragen formen die Antworten,

 

und die letzten fassen ins Leere,

 

in der sie sich selbst widerspiegeln.

 

 

 

Forme dein Leben,

 

und im Schweigen

 

antwortet der Tod

 

auf deine Geburt!

 

 

 

Wie Blüten verwehen die Träume,

 

wie Regen vertrocknen die Tränen.

 

Stumm flattert der bunte Falter

 

über das trübe Gewässer.

 

Schwankend beugt sich die Weide

 

über den munteren Bach.

 

 

 

Doch die Finsternis träumt Sterne

 

als ihren endlosfachen Tod.

 

Im Anfang war das Wort

 

als Frage

 

und Antwort am Ende.

 

 

 

Wir bauen uns Nester

 

als Form unserer Fragen,

 

und als Antwort

 

bleiben sie schließlich leer

 

von Fragenden.

 

 

 

 

 

 

 

Frage

 

 

 

Schritt für Schritt ins Leben ziehen,

 

Schritt für Schritt vor´m Leben fliehen,

 

Schritt für Schritt dem Tod entgegen

 

und sich niemals wieder regen.

 

 

 

Ja, hoffe nur auf Ewigkeit!

 

Warum dann Leben in der Zeit?

 

Warum erst Leid, dann Seligkeit?

 

 

 

Am Himmel ziehen Vögel hin

 

und fragen nicht nach einem Sinn.

 

Warum gibt es die Frage?

 

Sie schafft uns erst die Plage!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fragen

 

 

 

Warum das Böse, warum die Leiden,

 

warum die Unvollkommenheiten

 

trotz Gottes Größe?

 

 

 

Warum nicht nichts, warum das Sein,

 

warum die Fragen, Ja und Nein?

 

Ist´s Gottes Blöße?

 

 

 

Verbann´ das Schlechte aus der Welt:

 

Sie wird nicht besser, denn dann fehlt

 

der Vergleich!

 

 

 

Ja, denk´ dir Sein nur anders aus:

 

Es kommt doch auf das Gleiche raus,

 

auf einen Streich:

 

 

 

Es kann nur so oder anders sein.

 

Die Wahl setzt Sein bereits voraus,

 

und dieses schließt das Nichtsein aus.

 

 

 

Wär´ nichts, gäb´s keine Fragereien,

 

wär´ andres, könnt´s noch anders sein!

 

 

 

 

 

 

 

Fragen

 

 

 

Es fragt der Mensch und fragt.

 

Und jede Antwort ragt

 

tief in die Frage rein.

 

Denn alle Fragereien

 

sind wie das ganze Sein

 

nur in sich selbst allein.

 

Und jeder Grund und Sinn

 

führt zu sich selbst nur hin.

 

 

 

 

 

 

 

Fraglose Engel

 

 

 

Wo wir aus der irdischen Sicht

 

unseres Lebens

 

schreiend den Boden

 

unter den Füßen verlieren,

 

schweben wir

 

aus der himmlischen Sicht

 

unseres Todes

 

jauchzend als Engel.

 

 

 

Und wo, nach dem Tod,

 

die Zeit aufgehoben sein wird,

 

war es nie anders.

 

Und weil die Gründe

 

aufgehoben sein werden,

 

wird die Frage,

 

warum wir gelebt und gelitten haben,

 

zur Antwort,

 

die wir schon im Leben hätten geben können

 

und „Gott“ lautet.

 

 

 

 

 

 

 

Frauen

 

 

 

Die Alten warnten vor dem „Weibe“,

 

weil es sich listig, launisch zeige

 

und sich nicht vom Verstande leite.

 

 

 

Doch überprüft man dies beim Mann,

 

ergibt sich, dass auch er nicht kann

 

verfolgen frei von List ein Ziel

 

und frei sich halten vom Gefühl.

 

 

 

Nur will er das nicht bei sich sehen

 

und nicht bei Frauen übergehen.

 

 

 

Er will die Frau als Engel haben,

 

statt sich nur menschlich zu vertragen.

 

 

 

 

 

 

 

Frei nur allein

 

 

 

Schlimm ist´s, unter Menschen zu sein.

 

Glücklich ist man nur allein.

 

Schlimm ist´s, wie die anderen zu sein.

 

Frei ist man nur ganz allein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frei

 

 

 

Die Sonnenstrahlen spielen an der Wand.

 

Vom off´nen Fenster dringt der Tageslärm.

 

Den letzten Gegenstand fasst meine Hand.

 

Was war, was ist, die Hölle, ist so fern.

 

 

 

Was sein wird, sei! Das Messer schlitzt und schlitzt.

 

Ich spüre nichts. Der Trotz tut gut, so gut!

 

Mir wird es leicht, so wie das Blut verspritzt.

 

Ich dank´ Dir, Gott, für diesen Todesmut

 

aus Trotz und paradiesisch freier Wut!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freiheit im Sterben

 

 

 

Oh wie wohl ist mir, zu sterben!

 

Lebe auf den Tod nur hin.

 

Alles Leben ist Verderben.

 

Gottseidank gibt’s keinen Sinn.

 

Welche Freiheit, nichts zu werden!

 

 

 

 

 

 

 

Freiheit

 

 

 

Freiheit gibt es nur im Nein.

 

Frei zu sein, heißt allgemein:

 

anders und allein zu sein.

 

Höchste Freiheit: nichts zu sein!

 

 

 

 

 

 

 

Fremd

 

 

 

Ich bin in meinem Leben fremd.

 

Ich leide, weil mir etwas fehlt.

 

Mir fehlt nicht Hirse, Heim und Hemd.

 

Doch eine unstillbare Sehnsucht schwelt

 

in mir, mit mir allein zu sein.

 

Ich fehle mir in diesem Leben.

 

Zu leben heißt, sich einzureihen.

 

Ach, könnt´ ich frei von Ketten schweben!

 

 

 

Die Ahnen trugen mich auf Armen,

 

um mich ins Leben zu entführen.

 

Nun kennt allein der Tod Erbarmen.

 

Doch werde ich es nicht mehr spüren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fremdbestimmt II

 

 

 

Man wird vor seiner Geburt nicht gefragt,

 

das ganze Leben hindurch nur geplagt,

 

und auch vor dem Tod wird man nicht gefragt.

 

Was geht man sich also an, dass man klagt?

 

 

 

 

 

 

 

Fremdbestimmt

 

 

 

Ich habe mein Leben nicht selbst gewählt.

 

Ich werde nur immer bitter gequält.

 

Das bisschen Freude wird mir vergällt.

 

Hab´ immer nur antwortlos Fragen gestellt

 

nach Gott und der Welt, nach Gott und der Welt.

 

 

 

Auch sterben werde ich ungefragt.

 

Die Selbsttötung habe ich nicht gewagt.

 

Ich weiß ja nicht, ob nicht auch sie mich plagt.

 

So sind mir ja alle Wünsche versagt.

 

Ich gehe mich somit nichts an, der da klagt!

 

 

 

 

 

 

 

Fremde Welt

 

 

 

Im milden Abendlicht

 

liegt die Wehmut,

 

das Heimweh,

 

die Ahnung fremder Nacht.

 

 

 

Man spürt die Ferne

 

von einer Heimat,

 

von kindlicher Geborgenheit,

 

von erträumter Vertrautheit,

 

von verlorenem Vertrauen.

 

 

 

Scheu erwidere ich einen Gruß

 

und ziehe mich zurück.

 

 

 

 

 

 

 

Freundlichkeit

 

 

 

Ein leises Lächeln, ein freundliches Wort,

 

von Seele zu Seele ein bisschen Wärme.

 

Sie trägt dich fort in die Ferne der Sterne,

 

die kalte Mechanik der Unendlichkeit,

 

und bleibt, fern von Raum, und bleibt, fern von Zeit.

 

 

 

 

 

 

 

Frieden

 

 

 

Ja, nimm nur drei, vier, fünf, sechs, sieben....,

 

und aus ist es mit jedem Frieden!

 

 

 

Ihn gibt es allenfalls zu zweit,

 

wenn beide dazu sind bereit.

 

Doch geht’s auch dann nie ohne Streit.

 

 

 

 

 

 

 

Friedhof bei Vollmond

 

 

 

Auf den Engelsgarten

 

starrt ein totes Gesicht.

 

Gefrorenes Licht

 

wirft zersprungene Schatten.

 

In der Tiefe warten,

 

die sie hatten,

 

die fromme Sicht,

 

auf das Jüngste Gericht.

 

Lästere nicht!

 

 

 

 

 

 

 

Fromme Wünsche II

 

 

 

Ich möchte mir die Finger raufen,

 

ohne zu flöten.

 

 

 

Ich möchte gerne Amok laufen,

 

ohne zu töten.

 

 

 

Ich möchte mir Gestirne kaufen

 

ohne Kröten.

 

 

 

Ich möchte eine Milchstraße saufen,

 

ohne zu verblöden.

 

 

 

Ich möchte mich mit Rotwein taufen,

 

ohne zu erröten.

 

 

 

 

 

 

 

Fromme Wünsche

 

 

 

Wir brauchen keinen Sinn,

 

uns schnürt den Atem schon der Fluch der Welt!

 

 

 

Wir wollen nirgends hin;

 

wir wollen, dass es uns schon hier gefällt!

 

 

 

Wir wollen nicht Erlösung;

 

wir wollen einfach, dass wir sie nicht brauchen.

 

 

 

Denn Trost ist nur Entblößung,

 

um frierend heiße Wunden kühl zu hauchen!

 

 

 

Wir wollen keine Wahrheit,

 

nur einen Gott, der über allem steht,

 

vor allem über Starrheit,

 

denn nichts geht über das, was drüber steht!

 

 

 

 

 

 

 

Frühling 1998

 

 

 

Durchs Fenster starrt ein lichter Tagestraum.

 

Ätherisch klingt das Tagestreiben.

 

Aus aufgewühltem Bett im toten Raum

 

klagt müder Blick ein stummes Leiden.

 

 

 

Die Blüten draußen lassen sich erahnen.

 

Ein Tropfen perlt aus dem Gesicht.

 

Die Zeiger einer alten Uhr gemahnen.

 

Ein Schatten an der Wand zerbricht.

 

 

 

Dann klopfte es an der Tür, die Klinke sinkt.

 

Das Schloss hält Flüsterlinge ab.

 

Verzogen ist die Wolke, wieder bringt

 

die Sonne Schatten in das Grab.

 

 

 

 

 

 

 

Frühling 1999

 

(fur semper in mora)

 

 

 

In den Häuserschluchten

 

sonnt sich der Alltag.

 

 

 

Aus den Kellern

 

sind die letzten Leichen geborgen,

 

und auf der Dachterrasse

 

ertappt sich jemand beim Atmen.

 

 

 

Niemanden bewegt das Problem

 

der Leidlichkeit,

 

das den Himmel ziert.

 

 

 

Ein Tagedieb,

 

wer ständig in Verzug ist!

 

 

 

 

 

 

 

Frühling 2001

 

 

 

Wieder wagt sich neues Leben!

 

Knospen sich auf Ästen regen,

 

 

 

die noch schwarz im Licht verharren,

 

das die Nächte nicht mehr narren.

 

 

 

Gelb getupft die grünen Wiesen,

 

unsichtbare Vögel grüßen

 

 

 

tausendfach im Lied verzückt,

 

selbst dem Fluglärm weit entrückt!

 

 

 

Vor den Häusern wird gefegt.

 

Gärten prangen frisch gepflegt.

 

 

 

Bienen summen um den Strauch.

 

Summ´ nur mit, du kannst es auch!

 

 

 

 

 

 

 

Frühling 2010

 

 

 

Und wieder richtet sich

 

die Welt auf Leben ein.

 

Denn nur veränderlich

 

kann Sein auch Nichtsein sein.

 

 

 

Es grünt und blüht, und tot

 

wirkt nur der bleiche Stein.

 

Ach, denke dir ihn rot,

 

denn nichts, was ist, muss sein.

 

 

 

Es lächelt dein Gesicht.

 

Du schließt verträumt die Lider.

 

Nein, Totes gibt es nicht,

 

es spiegelt Leben wider.

 

 

 

 

 

 

 

Frühling 2015

 

 

 

Die Schlehen tragen Schnee,

 

und auf den grünen Wiesen,

 

da haben sich die Löwen

 

die Zähne ausgebissen.

 

 

 

Auch sitzt dort eine Fee,

 

muss immer wieder niesen.

 

Die Sonnenstrahlen strömen

 

und kitzeln, diese Süßen.

 

 

 

Was tut dir g´rade weh?

 

Lass dich jetzt nicht verdrießen!

 

Es sind die Kopfeshöhen,

 

wo Tränen abwärts fließen.

 

 

 

Ein Falter - horch, versteh´!-

 

lässt dich jetzt leise grüßen

 

von all den gelben Löwen

 

- äh-, deren Zähne sprießen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frühling 2016

 

 

 

Die Sonne wärmt, was brach gelegen.

 

Ein kühler Wind streift übers Gras.

 

Von dunklen Wolken droht ein Regen.

 

Der Frühling sucht nach einem Maß.

 

 

 

Nun stehst du auf von deiner Bank.

 

Der Alltagsernst nach dir verlangt.

 

 

 

 

 

 

 

Frühling im Gebirge

 

 

 

Über die saftig grüne,

 

gelbgesprengelt blüh´nde,

 

weite Wiese wächst

 

der Schatten des starren Gebirgs.

 

 

 

Kühl überzieht das Gefühl

 

der blanke Gedanke an Aufbruch.

 

 

 

Dann zaubert die Stille

 

zögernd Vergessen.

 

 

 

Bis plötzlich

 

im späten Entsetzen

 

besessener Wille

 

vermessen

 

die lechzende,

 

letzte Sehnsucht

 

nach Einsamkeit

 

stillt

 

und in Ewigkeit

 

hüllt.

 

 

 

 

 

 

 

Frühling

 

 

 

Der Himmel schüttet gute Laune aus.

 

Vor tiefem Blau verharren regungslos

 

die weißen Blüten.

 

 

 

Dich treibt es weit ins Grün und Gelb hinaus,

 

und plötzlich merkst du dort, du bist doch bloß

 

daheim geblieben.

 

 

 

Dann schüttelst du die Liegedecke aus

 

und faltest sie penibel vor dem Schoß

 

mit Missvergnügen.

 

 

 

 

 

 

 

Frühlingsgedanken beim Betrachten einer Blüte

 

 

 

Ist etwas?

 

Ist nichts?

 

Kann nichts sein?

 

Kann das Sein nicht sein?

 

 

 

Alles ist allem ähnlich,

 

nie gleich.

 

Alles kommt und vergeht

 

und kommt und vergeht ähnlich wieder,

 

nie gleich.

 

 

 

So sind auch Sein und Nichtsein

 

nicht gleich, aber einander ähnlich:

 

Weder sind sie, noch sind sie nicht,

 

weder sind sie entweder oder nicht,

 

noch sind sie und sind nicht.

 

 

 

Was heißt da schon unser Leben und Tod?

 

 

 

Ein Mensch wird geboren und stirbt.

 

Dazwischen lebt er zwar,

 

aber nie allein,

 

sondern in Symbiose mit der Umwelt

 

und in sozialer Abhängigkeit von anderen Menschen.

 

Er muss erst geboren werden,

 

doch erzeugen ihn ebenfalls Menschen,

 

und er tritt in die von den Vorfahren geschaffene Kultur.

 

Er stirbt,

 

aber er pflanzt sich fort

 

und hinterlässt, was er geschaffen und bewirkt hat.

 

 

 

Andererseits:

 

Den Menschen gab es nicht schon immer,

 

und es wird ihn auch nicht immer geben.

 

Und doch lief der Urknall auf ihn zu,

 

und er kann nie mehr ungeschaffen gemacht werden.

 

 

 

Was ist, was nicht?

 

Welche Atome deines Körpers gehören zu dir,

 

welche zu deiner Umwelt?

 

Versuche, die Atome des Randes deines Körpers

 

von denen der ihn umgebenden Luft abzugrenzen!

 

Und die Teile der Atome vom Nichts!

 

Orte einen Punkt im Raum,

 

orte einen in der Zeit,

 

aber ganz genau:

 

Er schrumpft zum Nichts, aus dem alles besteht.

 

Das Sein ist dem Nichts,

 

in das es sich unendlich teilen lässt,

 

nicht gleich,

 

aber in seiner Unendlichkeit ähnlich.

 

 

 

 

 

 

 

Frühsommerabend

 

 

 

Vor dem offenen Fenster,

 

hinter zitternder Luft,

 

spielt das weiche Abendlicht

 

mit dem milden Hauch von Kühle

 

blinzelnd durch wiegendes Geäst,

 

leise, zarte Schattenspiele.

 

 

 

Sachte schwanken Blumenstiele

 

unter bunter Blütenfülle.

 

Feiner Duft wogt durch die Stille,

 

die dem Vogeljubel lauscht.

 

 

 

Bäume überziehen wohlige Gefühle,

 

lassen ihre lockere Blätterhülle

 

flimmernd beben.

 

 

 

Lächelnder Frieden

 

winkt lockend ins Zimmer

 

der fiebrigen Seele zu.

 

 

 

Langsam schließen Sorgengespenster

 

das Fenster und raunen

 

von Todesruh´.

 

 

 

 

 

 

 

In der Fußgängerzone

 

 

 

Aus ihren Gesichtern rühren die Schicksale an,

 

die sie tragen

 

wie die Tränen des Lachens und des Weinens

 

in ihren Augen,

 

die ihnen entgleiten, weggewischt werden,

 

aber bleiben

 

als Hoffnungen,

 

umklammert wie ein Kinderluftballon,

 

geschenkt, um daraus Träume zu machen.

 

Jeder macht aus sich seinen Traum,

 

deckt einen Tisch,

 

ob aus Marmor oder Holz,

 

für ein Fest ohne Gäste,

 

trägt ein Kleid,

 

ob aus Leinen oder aus Seide

 

an seinem Grab.

 

Und morgen liegen die Gesichter

 

auf vergilbten Fotografien.

 

 

 

 

 

 

 

Fußgängerzone II

 

 

 

Hinter den starren Gesichtern

 

der Narren,

 

irrlichternd in den Augen,

 

strotzt die Besessenheit,

 

zu glauben

 

an sich und an Wahrheit,

 

kriegerischer Wahn

 

von Ehre und Sinn.

 

 

 

Und doch rührt es an,

 

zu sehen,

 

wie jeder sich müht,

 

mit dem umzugehen,

 

zu wen die Natur ihn gemacht,

 

und wozu ihn das Schicksal gebracht

 

hat. Da gelten die einen

 

nur unter and´ren

 

und andere

 

nur gegen andere.

 

Da gibt jemand an,

 

und ein anderer quält.

 

Und lächelnd hält,

 

wer Millionär sein kann,

 

für wenig Geld

 

ein Eis in der Hand.

 

Eine Frau streicht

 

über ihr Kleid,

 

ihre Wahrheit

 

ist woanders

 

Krieg und Leid.

 

 

 

 

 

 

 

Fußgängerzone

 

 

 

Ein Hund läuft schnuppernd  kreuz und quer.

 

Ein Greis ruht auf der Bank und schweigt,

 

als ihm ein Kind sein Halskreuz zeigt.

 

Passanten strömen hin und her.

 

 

 

Fassaden ragen aus den Blicken.

 

In ihren Schatten bleibt es kühl.

 

Es herrscht viel Hektik, kaum Gefühl.

 

Die Tauben auf dem Pflaster picken.

 

 

 

Die Stände locken lockeres Geld.

 

Die Läden bilden dichte Ketten.

 

Für Müde gibt es keine Betten.

 

Ein Musikant spielt mit der Welt.

 

 

 

Von dem Café her summen Stimmen.

 

Das Händepaar, emporgefaltet,

 

zerfällt dem Greis, es ist erkaltet.

 

Das Kind sah Lebenslicht verglimmen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Föhr

 

 

 

Zerbrochen an der Härte

 

der liebsten Seele,

 

aufgelöst in der Weite

 

des dunklen Watts,

 

verflogen mit dem feinen Sand

 

der Dünen.

 

Oh Gott, der Schlüssel!

 

Sie fluchen.

 

 

 

 

 

 

 

Fügsames Leben

 

 

 

So sicher wie der Tod

 

so sicher ist sein Schweigen;

 

hat lebenslang gedroht,

 

wird ewig sich nicht zeigen.

 

Und dennoch tut es not,

 

vorm Nichts sich zu verneigen.

 

 

 

 

 

 

 

Für Christen

 

 

 

Herr, meine Seele tropft Tränen und Blut.

 

Du hast dich in Christo gequält, und es ruht

 

all unser Leid in dem Trost, dass du selbst

 

in uns leidest, uns also nicht quälst;

 

du Leben im Leid für notwendig hältst,

 

den Tod wie bei Christus als Erlösung erst wählst

 

und vorher uns unter Bewährung stellst.

 

 

 

 

 

 

 

Für das Bewusstsein?

 

 

 

Der Bach rauscht auch, wenn niemand auf ihn hört.

 

Und Blumen blüh'n, die niemand je gesehen.

 

Verborgene Schönheit, die sich selbst betört?

 

Gedanken, lichte, die ins Nichts verwehen.

 

So viel im All, was niemals wahrgenommen!

 

Bewusstsein macht nicht hell, es macht beklommen.

 

 

 

 

 

 

 

Für wen?

 

 

 

Irgendwo auf der Erde,

 

an einer völlig entlegenen Stelle,

 

blüht eine wunderschöne Blume,

 

ohne dass sie jemand wahrnimmt;

 

nicht einmal ein Insekt

 

findet dorthin,

 

um die Blüte zu bestäuben.

 

 

 

Weit jenseits der Welt der Träume,

 

im hellen Schatten des Todes,

 

sieht es wunderschön aus,

 

klingt, riecht und schmeckt es wundervoll,

 

fühlt es sich wunderbar,

 

denkt es sich unmittelbar einsichtig.

 

Doch niemand nimmt dies wahr.

 

Denn, wer hierher kommt,

 

ist nicht mehr jemand.

 

Denn alles und nichts verschwimmen

 

am Ziel unserer Sehnsüchte,

 

auf dass sie sich nicht erfüllen.

 

 

 

Denn schön ist die Blume

 

nur in unserem Blick,

 

und der Wein schmeckt nur

 

beim Trinken, nicht im Magen!

 

 

 

 

 

 

 

Für's Poesiealbum

 

 

 

Wenn du meinst, es geht nicht mehr,

 

frage dich, wo kommst du her;

 

frage dich, wo gehst du hin?

 

Hat denn letztlich etwas Sinn?

 

Alles hat ihn in sich drin.

 

Es ist so, nicht anders eben,

 

einfach da, von Gott gegeben.

 

 

 

Warum gibt’s das weite All?

 

„Zufall“? Gott ist's allemal.

 

Warum gibt’s das Erdenrund?

 

Es ist Gott, er ist der Grund.

 

Fragen sind nicht von Gewinn.

 

Gott ist Sinn, in allem drin.

 

Auch in dir in deiner Qual.

 

Er ist immer, überall.

 

Besser kann ein Sinn nicht sein.

 

Kannst du ihn auch nicht verstehen,

 

er wird immer mit dir gehen.

 

 

 

 

 

 

 

Für´s Poesiealbum

 

 

 

Mein Kind, wenn dir die Tränen kommen,

 

hat Gott dich in den Arm genommen,

 

damit du nicht den tiefen Grund,

 

aus dem du weinen musst, erblickst

 

und über ihn zu Tod erschrickst.

 

Denn abgrundtief schweigt Gottes  Mund.

 

 

 

Doch sei getrost: Es gibt nur IHN

 

als letzten Grund und besten Sinn!

 

Es ist die Liebe, wie wir´s nennen.

 

Wirst seh´n: Sie trocknet deine Tränen.

 

 

 

 

 

 

 

Gast

 

 

 

Ich bin ein Gast in diesem Land,

 

ein Gast bei einem Unbekannt.

 

 

 

Es gibt so viele andere Gäste!

 

Alleinsein wär´das Allerbeste!

 

 

 

Ein jeder Gast ist sich der beste.

 

Wozu bedarf er anderer Gäste?

 

 

 

 

 

 

 

Geben und Nehmen

 

 

 

All die Toten zeigen

 

mit ihrem Schweigen:

 

Das Wort ist Wind.

 

Und dass sie nicht mehr sind,

 

zeigt doch nur:

 

Wir sind blind.

 

Wir freuen uns und leiden

 

und merken nicht:

 

Es gibt uns nicht,

 

es nimmt.

 

 

 

 

 

 

 

Gebet

 

 

 

Du schickst mir Leid, es zu ertragen.

 

Du weißt Bescheid und lässt mich fragen!

 

Bin nicht bereit und will´s Dir klagen.

 

Kein Fingerzeig! Ich muss verzagen.

 

Du schweigst von weit und hast das Sagen.

 

Doch kommt die Zeit, wirst du mich tragen!

 

 

 

 

 

 

 

Gebet

 

 

 

Mein Gott, du lässt mich immer tiefer fallen!

 

Lässt mich nicht mehr an meinen Glauben krallen!

 

Lässt meine Schreie ungehört verhallen?

 

 

 

Soll ich mein Leben dir zum Opfer geben?

 

Die Hände betend in die Leere heben?

 

Im tiefen Schmerz vor deiner Liebe beben?

 

 

 

Ich kann nicht mehr, mir bleibt nur noch dein Schweigen.

 

Du willst dich so als unbegreifbar zeigen?

 

In Demut will ich mich davor verneigen.

 

 

 

 

 

 

 

Gebet IV

 

 

 

Schweigender Gott des Leidens,

 

unermesslich wie das All

 

ist Dein Wirken,

 

unergründlich tief wie das All

 

ist unser Leiden.

 

 

 

Lass mich glauben,

 

dass es sein muss,

 

wie Du sein musst,

 

weil Du Dich uns brauchen lässt,

 

weil wir uns brauchen,

 

ohne uns zu genügen!

 

 

 

Gewaltig ist Dein Wirken

 

im Leid.

 

 

 

Was ist,

 

muss sein,

 

jedoch nicht bleiben.

 

Es bleibst nur du

 

im Leid, auch wenn es nicht vergeht.

 

Lass mich Dich glauben auch im Leid!

 

 

 

Du bläst mein Lebenslicht,

 

noch ohne es zu löschen.

 

Du hast keinen Grund.

 

Der Grund bist nur Du

 

für das Entzünden,

 

für das Erlöschen,

 

für das Flackern,

 

für dieses Gebet,

 

für das ich Dir danke.

 

 

 

 

 

 

 

Gebet V

 

 

 

Was ist das für ein schrecklicher Gott,

 

den man anbeten muss,

 

damit er hilft und Gutes tut?

 

 

 

Was ist das für ein „allmächtiger“ Gott,

 

den man durch Gebete beeinflussen kann?

 

 

 

Was ist das für ein eitler Gott,

 

der sich anbeten lässt?

 

 

 

 

 

 

 

Gebet VI

 

 

 

Zeig´ mir, wo der Raum ist,

 

auf dass ich mich befreie!

 

 

 

Zeig´ mir, wo die Zeit ist,

 

auf dass ich ihr enteile!

 

 

 

Zeig´ mir, wo mein Leben ist,

 

auf dass ich mich entbinde!

 

 

 

Zeig´ mir, wo das Sein ist,

 

auf dass ich´s überwinde!

 

 

 

Zeig´ mir, wo die Fragen sind,

 

auf dass ich sie nicht stelle!

 

 

 

Zeig´ mir, wo die Wahrheit ist,

 

auf dass ich sie verprelle!

 

 

 

Zeig´ mir, dass ich bin,

 

wo Sinn verliert den Sinn!

 

 

 

 

 

 

 

Gebet VIII

 

 

 

Mein Leben kann man doch nur hassen.

 

Und doch hast du mich zeugen lassen!

 

 

 

Du hast mir zwar die Macht gegeben,

 

mich selbst zu nehmen aus dem Leben,

 

 

 

doch auch die Ohnmacht vor den Hürden.

 

Nimm du mein Leben, frei von Bürden!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gebet

 

 

 

Du kannst so unerbittlich grausam sein,

 

mein Gott, so bitterbös und ungerecht.

 

Ich brauche Dich, doch Du bist hundsgemein

 

und schweigst und quälst mich weiter, ja: erst recht,

 

je mehr ich bitte, weine, sterben will!

 

Bist Du nur Wahn? Ich kann und will´s nicht glauben!

 

Nur Alptraum? Nein: die Welt wär´ sonst zu still!

 

Sie ihrer Unfassbarkeit zu berauben,

 

das hieße: sie wär´ nur ein simples Spiel.

 

Nein, Gott, da magst Du lieber Dir erlauben

 

an Unerklärlichkeit ein Viel-zu-Viel!

 

 

 

 

 

 

 

Gebet

 

 

 

Was ist das für ein schrecklicher Gott,den man anbeten muss, damit er hilft und Gutes tut?

 

Was ist das für ein „allmächtiger“ Gott,den man durch Gebete beeinflussen kann?

 

Was ist das für ein eitler Gott, der sich anbeten lässt?

 

 

 

 

 

 

 

Geborgen in willensferner Sinnfreiheit

 

 

 

Ich suche die Berge, ich suche die Höhen,

 

um Tiefe und Weite des Landes zu sehen.

 

 

 

Ich suche die Küste, ich suche das Meer,

 

um Grenzen zu sehen, verschwommen und leer.

 

 

 

Ich suche die Ruhe, ich suche die Stille,

 

ins Nichts zu sehen. Und alles ist Wille!

 

 

 

Ach, nicht geboren oder gestorben,

 

ins Leben geflohen und wieder hinaus:

 

Ist Wille denn nie und nirgends geborgen,

 

kommt Gott denn sogar nicht ohne ihn aus?

 

 

 

Ich blicke zum Himmel: Unendlichkeit!

 

Sie fasst kein Wille, reicht immer zu weit.

 

In ihr verliert sich jeder Sinn;

 

Gott sei's gedankt: Das spricht für ihn!

 

 

 

 

 

 

 

Geburtsfehler

 

 

 

Ich kann nicht kämpfen, bin zu weich

 

und bis zur Selbstverleugnung feig.

 

Lässt man auch dann mich nicht in Ruh´,

 

packt mich die Wut, ich schlage zu.

 

 

 

Ich fürchte jeglichen Kontakt

 

mit anderen, denn nur die Jagd

 

nach Selbstbestätigung treibt sie.

 

Ich fall´ vor ihnen auf die Knie,

 

sie danken´s nicht, sie bleiben hart.

 

Lasst mich alleine, bin zu zart!

 

 

 

Sie werden härter, wenn ich weine,

 

und rast´ ich aus, bin ich alleine,

 

doch tut's mir leid, ich bin zu schwach,

 

zum Tod bereit, geht es mir nach.

 

 

 

 

 

 

 

Geburtstag

 

 

 

Die Glücklichen feiern ihre Geburt,

 

die Unglücklichen beklagen sie,

 

die übrigen nehmen sie hin,

 

mit Ausnahme der Weisen,

 

die nicht an sie glauben,

 

weil

 

weder etwas ist

 

noch nicht ist

 

noch sowohl ist als auch nicht ist

 

noch weder ist noch nicht ist

 

und dies auch für sie selbst gilt.

 

 

 

 

 

 

 

Gedanke eines Augenblicks

 

 

 

Du hast es in der Hand,

 

alles loszulassen,

 

was du in der Hand hast,

 

und loszulaufen,

 

einfach weg,

 

ganz wegzutreten.

 

Dein Weg,

 

dein Los,

 

Du hast es in der Hand.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedanken

 

 

 

Ach, die Gedanken! Wo kommen sie her?

 

Jeder hat ähnliche, schwimmt im Meer

 

eines einzigen Geistes. Wie schwer,

 

nicht sich voll Selbst zu sehen, sondern leer:

 

Wellentäler, geschaukelt im Meer!

 

 

 

 

 

 

 

Gedanken III

 

 

 

Ich schreibe in Gedanken

 

einen Brief mit meinen Gedanken

 

an meine Gedanken

 

und schicke ihn in Gedanken

 

an meine Gedanken.

 

Die Gedanken des Briefes sind,

 

dass ich in Gedanken

 

meine Gedanken

 

an die Gedanken schreibe

 

und sie in Gedanken an diese schicke.

 

Ob sich die Gedanken

 

für meine Gedanken

 

in meinen Gedanken bedanken?

 

 

 

 

 

 

 

Gedanken in der Natur

 

 

 

Die Bäume schweigen dich an,

 

und still sind die Büsche, das Gras,

 

was kein Gedanke je kann;

 

im Traum selbst flüstert er was.

 

 

 

Und träumst du nicht, bist du taub.

 

Dann spricht der Gedanke mit sich.

 

Zerfällst du schließlich zu Staub,

 

dann denkt das Schweigen an dich.

 

 

 

 

 

 

 

Gedanken

 

 

 

Woher kommen die Gedanken?

 

Ich habe sie nicht gemacht!

 

Wie sollte ich auch? Sie ranken

 

sich unaufhaltsam mit Macht

 

um nichts. Im Traum nur wanken

 

sie  seltsam, wie trunken erwacht

 

Wem hab ich sie zu verdanken?

 

Wer hat sie mir zugedacht?

 

Ich kann mich mit ihnen zanken.

 

Wer hat dann den Streit entfacht?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedankenfreiheit

 

 

 

Sitzt – nein: steht verkrallt

 

auf einem Ast

 

-sein freier Wille-,

 

blickt dahin, blickt dorthin

 

-sein freier Wille-

 

und piepst

 

unfrei zur Abgrenzung

 

des Reviers, das verhallt.

 

 

 

Fliegt plötzlich weg

 

-sein freier Wille-,

 

ruht -sein freier Wille-,

 

auf einem anderen Ast

 

und wiederholt sich:

 

freier Sinn,

 

Wille her, Wille hin!

 

 

 

Du kommst vorbei

 

-dein freier Wille-,

 

und bist in Gedanken:

 

Dein unfreies Revier

 

fliegt immer mit dir!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedankenspiele

 

 

 

Denk´ dich einmal weg,

 

ganz weg, als nie geboren!

 

Was wäre dann verloren?

 

 

 

Was ist denn dein Zweck?

 

 

 

Denk´ dich einmal anders,

 

ganz anders, als du bist!

 

Was hätte man vermisst?

 

 

 

Bist du so besonders?

 

 

 

Denk´ dich einmal tot!

 

Du wirst es einmal sein.

 

War denn nicht alles Schein,

 

 

 

was das Leben bot?

 

 

 

Denk´ dich einmal nicht,

 

wie deiner nicht bewusst!

 

Ob du dann wissen musst,

 

 

 

dass nichts wissbar ist?

 

 

 

 

 

 

 

Gedankenträume

 

 

 

Durch die Gedanken streift ein Schatten

 

und segnet stumm den toten Traum,

 

den diese voller Sehnen hatten,

 

die jetzt verstört ins Leere schau´n.

 

 

 

Dann küsst er sanft die hohlen Wangen

 

und weicht der Nacht. Sie bricht herein,

 

wiegt die Gedanken, wie sie´s verlangen,

 

in einen neuen Traum hinein.

 

 

 

 

 

 

 

Gedankenverlorenheit

 

 

 

Adilo las einen leisen Gedanken auf

 

und trug ihn in ferne Zeit,

 

bis er entschwand.

 

Und als er ihn irgendwann wiederfand,

 

wusste er nicht,

 

ob es in der Vergangenheit oder in der Zukunft war.

 

 

 

 

 

 

 

Geduld

 

 

 

Warte nur, hoffe nicht, leide!

 

Spät kommt aus unendlicher Weite,

 

was du nie als möglich ersonnen:

 

Alles ist plötzlich ins Nie entronnen!

 

Hattest Du nicht die Hölle durchlebt?

 

Ja, doch sie war nur aus Zeit gewebt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gefangen

 

 

 

Brech´ einen Gedanken

 

aus dem Käfig deines Gehirn´s!

 

Entflieh´ auch den Schranken

 

der Undenkbarkeit allen Gestirn´s!

 

 

 

Öffne der Seele

 

ein Fenster zum tödlichen Atem Gottes!

 

Salbe die Kehle

 

zum Schrei eines letzten verzweifelten Wortes!

 

 

 

 

 

 

 

Gefühl

 

 

 

So wie die Freude die Tränen rührt,

 

das Leid den Mund wie beim Lachen führt,

 

wie Weinen und Lachen sich gleich anhört,

 

so beides dem gleichen Gefühl angehört.

 

 

 

 

 

 

 

Gefühlsbogen

 

 

 

Blattsilber flirrt

 

im flüsternden Wind.

 

Müdes Licht blinzelt

 

aus perlendem Bach:

 

Spiel im Spiegel wäss´rigen Aug´s,

 

bis der Blick nach innen bricht.

 

 

 

 

 

 

 

Gegensätze?

 

 

 

Wir sehen nicht das Licht

 

der Dunkelheit,

 

und auch die Dunkelheit

 

des Lichtes

 

sehen wir nicht.

 

 

 

Doch schließen wir die Augen,

 

spüren wir

 

im Leiden

 

den Gott unserer Sehnsucht

 

und in der Freude

 

das Nichts der Erfüllung.

 

 

 

 

 

 

 

Geheimnis der Unendlichkeit

 

 

 

Ein altes Foto zeigt ein Grab

 

(und Ewigkeit auf einen Schlag):

 

Den Grabstein ziert ein altes Bild

 

(das, von Unendlichkeit erfüllt,

 

des Blickes Sehnen niemals stillt).

 

 

 

Es zeigt ein aufgeschlag´nes Buch

 

(Gebrochen hängt daran ein Siegel).

 

Die rechte Seite ist ein Spiegel

 

(Geheimnis oder Lug und Trug?).

 

Drin malt ein blinder Mann ein Grab

 

(Wie ihm das nur gelingen mag?):

 

Dem Grabstein ziert ein altes Bild

 

(wie ein genauer Blick enthüllt).

 

Es zeigt ein aufgeschlag´nes Buch

 

(Wer es enträtselt, der ist klug).

 

Die linke Seite zeigt im Bild

 

(das diese ganze Seite füllt)

 

den blinden Mann vor diesem Spiegel

 

(Was das denn nur bedeuten mag?).

 

Er malt ein Bild mit einem Grab

 

(Das Aug´ sieht's kaum, der Geist hat Flügel):

 

Den Grabstein ziert ein altes Bild

 

(Was man – blind jetzt – im Geist nur fühlt).

 

Es zeigt ein aufgeschlag´nes Buch

 

(Sind Siegel Segen oder Fluch?).

 

Im rechten und im linken Buch

 

(geöffnet je durch Siegelbruch)

 

malt rechts der blinde Mann im Spiegel

 

ein Grab mit einem Bild im Stein.

 

Und links malt er vor diesem Spiegel

 

das Grab mit diesem Bild im Stein.

 

Im Spiegel malt der Mann das Grab

 

(Der Blick, längst blind, bricht niemals ab).

 

Im Bild ist aufgeklappt ein Buch...

 

(Doch damit sei es nun genug!).

 

 

 

Mein Foto zeigt das Grab allein

 

(Der Blinde fehlt, nicht auch der Stein).

 

Es ziert als Bild den Grabesstein

 

(Das Bild mit Buch kann es nicht sein!).

 

 

 

 

 

 

 

Alles und nichts

 

 

 

Es umfasst das Alles das Nichts.

 

Und das Nichts umfasst das Alles.

 

Das ist das Geheimnis des Lichts

 

und des Dunklen, des Fluges und Falles.

 

 

 

Und fragst du nach Anfang und Ende,

 

dann fragst du nur nach der Zeit

 

und dem Raum. Denn ohne sie könnte

 

es Grenzen nicht geben, drum schweig!

 

 

 

Es dreht sich im Kreis unser Denken.

 

Und Sinn fragt sich sinnlos nach Sinn.

 

Wer fragte uns, Leben zu schenken?

 

Dem Tod nur verbleibt ein Gewinn!

 

 

 

 

 

 

 

Geheimnis

 

 

 

Geheimnis des Leides, schwarzer Gott,

 

unerhört mein Schrei,

 

ungesehen mein Blut

 

und die Tränen so überflüssig

 

wie eine Erlösung nach dem Tod.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geht mich nichts an!

 

 

 

Ich hab´ mich nicht bestellt

 

hierher auf diese Welt.

 

 

 

Was geh´ ich mich denn an?

 

Mag glücklich sein, wer kann!

 

 

 

Mich drängen lauter Leiden,

 

aus dieser Welt zu scheiden.

 

 

 

Doch sehe ich nicht ein,

 

zu tun, was eh´wird sein.

 

 

 

Mein Sein ist nicht mein Wahn.

 

Ich gehe mich nichts an.

 

 

 

 

 

 

 

Geist II

 

 

 

Dass etwas ist,

 

wie es ist,

 

das ist der Geist,

 

der alles ist,

 

und mit dem wir suchen,

 

was nicht ist,

 

weil wir nur finden können,

 

dass es nicht ist:

 

Gefundener Geist

 

ist das Nichts.

 

 

 

 

 

 

 

Geist III

 

 

 

Sein und Nichts sind nur im Geist.

 

Dieser Geist ist beides nicht.

 

Tot zu sein für uns nur heißt:

 

weiter Geist, doch seinslos schlicht.

 

Gottes Gedanke, der sich nicht spricht.

 

Wahrheit, die nicht in Worte bricht

 

 

 

Am Anfang sprach uns Gott als Wort.

 

Am Ende lebt der Sinn uns fort.

 

 

 

 

 

 

 

Geist IV

 

 

 

Auf Schritt und Tritt begegnen wir dem Geist,

 

aus dem wir sind, der nichts und alles ist.

 

Doch niemand traut ihm, da er uns verheißt,

 

dass sich in ihm das Ja und Nein umschließt.

 

 

 

 

 

 

 

Geist V

 

 

 

Es scheint so was wie Geist zu sein,

 

was alles irgendwie verbindet:

 

Ein Unglück kommt so nicht allein.

 

Zeigt sich was neu, man's öfter findet!

 

 

 

Du denkst an was, bald tut's ein anderer.

 

Die Doppelerfindungen sind bekannter.

 

Starr´ jemand´ an, der dreht sich um.

 

Und Schlachtvieh ahnt den Tod, warum?

 

 

 

Du bist vertieft, jetzt ruft wer an

 

in dieser Sache, nicht irgendwann!

 

Zufällig häuft sich Zufall an?

 

Der Gänse Ahnen ist kein Wahn!

 

 

 

Es scheint, als wär´ am Geist was dran.

 

 

 

 

 

 

 

Geist

 

 

 

Du kannst dich nicht so drehen,

 

wie du aus einem Spiegel blickst.

 

Du kannst auch nicht so gehen,

 

dass du dein Schattenbild belügst.

 

Aus all dem kannst du sehen,

 

dass du nur deinen Geist verrückst.

 

 

 

 

 

 

 

Geisterstunde

 

 

 

Unsichtbares sitzt im Sessel

 

und steht auf dem Tisch davor.

 

Unsichtbares liegt auf dem Teppich.

 

Und in der unsichtbaren Luft

 

hängt unfühlbar die Dunkelheit.

 

 

 

Durch die Wände dringt unsichtbar

 

in rauschender Stille

 

Raum und Zeit.

 

Und hinter den geschlossenen Augen

 

irrlichtert

 

Unendlichkeit und Ewigkeit.

 

 

 

 

 

 

 

Geisteskonstrukt

 

 

 

Spielerisch spottet die Natur über Sinn:

 

Traurig winselnd den Schwanz einzieh´n

 

lässt sie den Hund und wedeln vor Freude,

 

aber nicht wissen von seinen Gefühlen.

 

Ach, wenn sie sich auch beim Menschen scheute,

 

Freude und Leid einem Geist vorzuspielen!

 

 

 

 

 

 

 

Gepurzeltag

 

 

 

Auf einer Bank sitzt eine Frau

 

im Lieblingskleid mit einer Rose.

 

Die Bank ist rot, das Kleid ist blau.

 

Ein Mann bleibt steh´n mit schwarzer Hose.

 

 

 

Er fragt sie,ob sie auf ihn warte.

 

Sie lächelt nur und zeigt die Karte,

 

die an die Rose angebunden.

 

Es steht darauf ganz unumwunden:

 

„Ich wünsch´mir zum Gepurzeltag,

 

dass mich der Liebe Gott gern mag.“

 

 

 

Der Mann geht weiter, und er denkt:

 

„Sie hat die Rose sich geschenkt!“

 

Und überlegt dann auch noch weiter:

 

„Gepurzelt in das Leben! Leider?

 

Sie nimmt das Weiterpurzeln heiter

 

und purzelt einmal in den Tod,

 

doch sitzt sie still, Kleid blau, Bank rot.“

 

 

 

 

 

 

 

Gerechter Zorn

 

 

 

Ich glaube an nichts,

 

nur an den Fluch,

 

der mein todessüchtiges Leben zur Hölle macht.

 

 

 

Ich brauche auch nichts,

 

außer der Wut,

 

die das himmlische Feuer für den Scheiterhaufen entfacht.

 

 

 

 

 

 

 

Gerechtigkeit

 

 

 

Und als sie den Weisen endlich frugen,

 

was denn Gerechtigkeit sei,

 

stieß er,

 

des Antwortens satt,

 

laut auf

 

und setzte mit gähnendem Munde hinzu:

 

 

 

„Wenn der Blitz“

 

- hier rülpste er erneut,

 

so dass sich das Wort wie ´Blöööötz“anhörte –

 

„den unschuldigen Wanderer trifft

 

oder auch stürzender Fels,

 

fragt sich dabei doch niemand, 

 

wollte er denn über die Gottheit nicht lästern,

 

nach der Gerechtigkeit!“

 

 

 

 

 

 

 

Gerne allein

 

 

 

Ich bin so gerne ganz allein

 

und hänge den Gedanken nach.

 

Da muss ich nicht wie andere sein.

 

Da bin ich ich, nicht stark, nicht schwach.

 

 

 

Allein kann man sein Ich nur leben.

 

Ach, wär´s nur dafür uns gegeben!

 

Allein kann man für sich nicht sorgen.

 

Doch ohne Ich ist man gestorben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geschick

 

 

 

Was wir befürchten, wird meist nicht so schlimm.

 

Was wir ersehnen, schwindet dahin.

 

Unerfüllbar und ohne Sinn

 

spielen wir unsere Träume dahin.

 

Schlaflos träumen wir unser Glück.

 

Schlafend wandelt jedoch das Geschick.

 

 

 

 

 

 

 

Gesichtslos

 

 

 

Ein Gesicht schaut dich an

 

und, obwohl es dich

 

nicht sehen kann,

 

schaust du weg,

 

weil du siehst,

 

dass es dich

 

so sieht,

 

wie du es siehst.

 

 

 

Ein Gesicht fleht dich an

 

und, obwohl es dir

 

vertrauen kann,

 

schaust du weg,

 

weil es sieht,

 

dass du es

 

so siehst,

 

wie es dich sieht.

 

 

 

Dann schlägst du dir

 

ins Gesicht

 

und weißt nicht,

 

ob es deines ist.

 

 

 

 

 

 

 

Gespenst

 

 

 

Du kennst die Wege nicht,

 

die du doch gehst

 

durch Dunkelheit und Licht,

 

und öfter stehst

 

du gänzlich ohne Sicht.

 

 

 

Und doch bewegt

 

dich, was du Leben nennst,

 

und was sich regt,

 

obwohl du es nicht kennst,

 

und was dich legt,

 

vor das, was festliegt längst.

 

 

 

Du bist Gespenst,

 

was immer dich begrenzt!

 

 

 

 

 

 

 

Gespenster

 

 

 

Gespenster sind die halbe Wahrheit.

 

Die volle ist sich selbst ganz leer

 

und spukt in einem Narrennachtkleid

 

als Hirn im Menschen prall umher.

 

 

 

 

 

 

 

Gespenstisch

 

 

 

Sie lehnen alle immer im Fenster

 

und schauen mich an: So seh´ ich Gespenster.

 

 

 

Und innerlich rufe ich ihnen zu:

 

Ich bin unterwegs zur ewigen Ruh´.

 

 

 

Dann schließen sie alle die Fenster zu.

 

 

 

 

 

 

 

Gewimmel

 

 

 

Wir alle kommen in den Himmel.

 

Die Hölle ist bereits auf Erden.

 

Und was wir armen Menschen werden,

 

das ist ein furchtbares Gewimmel.

 

 

 

 

 

 

 

Gewitter II

 

 

 

Die Sonne wärmt den Trauerschleier,

 

sie trocknet nicht die feuchten Wimpern.

 

Der Regen macht den Atem freier,

 

auch er vermag kein Leid zu lindern.

 

 

 

Nur Blitz und Donner wühlen auf,

 

die Seele tanzt den Weltenlauf.

 

Ja, Lachen, Weinen, Sprung und Fall:

 

das Leben tobt in Freud und Qual.

 

 

 

Gewitter ist's im Nichts und All!

 

 

 

 

 

 

 

Gewitter

 

 

 

Wie ein Gewitter möcht´ich mich entladen,

 

durch Sturm, Blitz, Überflutung allen schaden,

 

die mich nur, weil ich anders bin, so hassen,

 

dass sie mich einfach nicht in Ruhe lassen.

 

 

 

Ich bleib´, wo ich nur kann, mit mir allein.

 

Doch hassen sie auch dies als Anderssein.

 

Und mach´ ich´s allen recht, so ist auch das

 

ein Anderssein und daher Grund für Hass.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Glaube II

 

 

 

Von niemandem in das Leben gerufen,

 

von niemandem in den Tod geholt,

 

und all die vielen Lebensschritte

 

von niemandem außer uns selbst gewollt?

 

 

 

Man will es nicht glauben,

 

so soll es nicht sein.

 

Doch gäb´ es nicht Trauben

 

auch ohne den Wein

 

und unser Sein

 

auch ohne den Glauben?

 

 

 

 

 

 

 

Glaube

 

 

 

Ich glaube nicht wegen des Leides nicht.

 

Ich glaube nicht wegen des Leides.

 

Ich glaube trotz des Leides.

 

 

 

 

 

 

 

Glaubhaft

 

 

 

Da mir nichts anderes übrigbleibt,

 

tue ich so,

 

als sei ich auf der Welt.

 

Und alle glauben es mir.

 

Am Ende

 

glaube ich es auch selbst!

 

 

 

 

 

 

 

Gleichmut?

 

 

 

Du hast dein Leben dir nicht ausgewählt!

 

Wenn bitteres Leid dir deine Seele quält,

 

dann denk daran: Du hast nur dieses Leben,

 

es ist dir  bis zu deinem Tod gegeben.

 

Du weißt nicht, was der Tod für dich bedeutet.

 

Drum nimm es hin, wie schnell ist es vergeudet!

 

 

 

 

 

 

 

Gleichnis

 

 

 

Und dann trittst du hinaus

 

vor die Türe

 

und schließt sie für immer

 

und irrst hinein

 

in die offene Zukunft,

 

die dich verschlingt.

 

Und hinter der Türe

 

hatte niemand

 

auf dich gewartet.

 

Und irgendwo,

 

vielleicht im Traum,

 

hattest du

 

einen Tisch gedeckt.

 

Du kannst es

 

nicht mehr wissen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Glück

 

 

 

Vom Leben wird man nicht glücklich.

 

Das Glück ist immer nur Traum.

 

Drum frage dich, was denn bedrückt dich?

 

Nicht immer nur Träume zu schau´n?

 

 

 

 

 

 

 

Glücklich II

 

 

 

Ach, alle wollen glücklich sein!

 

Und alle müssen so viel leiden!

 

Wann endlich sehen wir denn ein,

 

was unsere Leiden uns doch zeigen:

 

Wir sind nicht hier auf dieser Welt,

 

damit uns alles nur gefällt.

 

Zum Glücklichsein ist uns das Leben

 

- wer nimmt sich's? - eben nicht gegeben!

 

 

 

 

 

 

 

Glücklich? III

 

 

 

Warum lässt uns ein Gott der Liebe leiden?

 

Ist er vielleicht nicht glücklicher als wir?

 

Als Ebenbilder Gottes widerstreiten

 

wir Gott nicht ohne Willen, auch nicht hier:

 

 

 

Denn Gott ist nicht, damit er glücklich ist.

 

Er hat gelitten als Herr Jesus Christ.

 

 

 

Wär´n wir nicht göttlich, würden wir nicht leiden.

 

Gott hat unendlich, Bilder nur zwei Seiten.

 

Und Glück allein kann uns nicht Glück bereiten!

 

 

 

 

 

 

 

Glücklich?

 

 

 

Gott hat uns nicht weniger glücklich geschaffen, als er selbst ist.

 

Er selbst ist nicht, um glücklich zu sein.

 

Und er hat auch uns  nicht geschaffen, um glücklich zu sein,

 

sondern zu seinen Ebenenbildern.

 

Daher leidet er mit uns wie in Jesu.

 

Dieser Glaube befreit uns.

 

 

 

 

 

 

 

Glücklicher?

 

 

 

Ist Gott glücklicher als wir?

 

Quält er uns durch tiefes Leid,

 

flücht´ge Freud´, im steten Wechsel,

 

grund – und sinnlos hier im Leben

 

bis zum Tode aufgereiht?

 

 

 

Oder sind wir göttlich so?

 

Ist uns Gott so aufgegeben,

 

dass er schwerfällt, doch befreit?

 

Sind wir glücklicher als wir

 

im erhabenen Todeswechsel?

 

 

 

 

 

 

 

Gnade der Sinnlosigkeit

 

 

 

Es gibt nur einen Trost im Leben:

 

dass ihm von Gott kein Sinn gegeben,

 

wiewohl wir doch nach solchem streben!

 

 

 

Wär´ Gott nicht über Sinn erhaben,

 

wie sollten wir den Sinn ertragen,

 

wär´ doch nach Sinn von Sinn zu fragen!

 

 

 

Gott selbst ist Sinn genug und mehr.

 

Ein Übergott des Sinns wär´ leer

 

und machte uns den Glauben schwer.

 

 

 

 

 

 

 

Gnade

 

 

 

Es gibt keine Gnade.

 

Gott ist zu groß.

 

Ich finde das schade,

 

gottloses Los!

 

 

 

 

 

 

 

Gott der Liebe? (Lyrik)

 

 

 

Damit wirst du leben müssen

 

oder dadurch sterben dürfen:

 

Gott der Grausamkeit zu Füßen

 

Blut aus deinen Wunden schlürfen.

 

 

 

 

 

 

 

Gott ? II

 

 

 

Das Sein ist nicht selbst

 

(es unterläge sonst einem unendlichen Regress).

 

 

 

Das Nichts ist nicht selbst

 

(es unterläge sonst einem Selbstwiderspruch).

 

Das Nicht – Selbstsein ist also

 

Sein und Nichts,

 

Gott?

 

Ist Gott das Nicht – Selbstsein

 

des Seins und des Nichts?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gott im Leid

 

 

 

Alle Tränen gießen

 

die Blumen im Paradies,

 

die uns die Engel

 

auf die Bettdecke legen,

 

unter der wir weinen.

 

Und in der Stille

 

zwischen unseren Seufzern

 

hören wir

 

das Schweigen Gottes

 

auf unsere Frage,

 

warum er uns verlassen habe,

 

ganz, ganz nahe

 

und spüren Ruhe.

 

 

 

 

 

 

 

Gott IV

 

 

 

Die Träne im weinenden und lachenden Auge,

 

das Ja und Nein im Nichts und Alles,

 

das Schweigen Gottes: hör´s! Kein Glaube

 

lehrte die Toten die Ruhe des Schalles.

 

Wir schreien ein Echo in Gottes Stille.

 

Gott hört es und schweigt, denn stumm ist sein Wille.

 

 

 

 

 

 

 

Gott IX

 

 

 

Nur in dir selbst ist er zu finden,

 

der über Sein und Nichtsein schwebt.

 

Man muss sich selber überwinden,

 

da man sonst nur sich selbst erlebt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gott sei Dank!

 

 

 

So unbegreifbar dir dein Leid,

 

so unbegreifbar doch befreit,

 

nicht absehbar nach Art und Zeit,

 

dich Gott, hältst du dich nur bereit

 

und sprichst mit ihm in Offenheit

 

wie mit dir selbst, die Seele weit

 

geöffnet in Vertraulichkeit.

 

 

 

Auch wenn Verzweiflung dich entzweit,

 

Gott steckt mit dir im gleichen Kleid.

 

Nur er, sonst gar nichts weit und breit,

 

gibt dir das richtige Geleit,

 

nicht um, doch durch das bittere Leid.

 

 

 

Vertrau´, auch wenn es aus dir schreit!

 

Dagegen bist du nicht gefeit.

 

Schon zur Geburt hat sich´s gezeigt.

 

Doch Tränen sind von Gott geweiht.

 

 

 

Am Kreuz hat es sein Sohn bezeugt.

 

Auch er hat sich dem Leid gebeugt.

 

 

 

 

 

 

 

Gott und die Bibel

 

 

 

Gott ist das Nichts,

 

das weder ist noch nicht ist.

 

(2.Mos.20,4; 5.Mos.5,8)

 

 

 

Gott ist das Schweigen,

 

das über Lüge und Wahrheit erhaben ist.

 

(2,Mos.3,14; Ps. 22,3; 88,15)

 

 

 

Gott ist unser Sehnen,

 

das sich nicht erfüllen kann,

 

(Joh.16,23; Pred. 8,17; 11,5)

 

aber uns verbindet

 

und Nächstenliebe genannt wird.

 

(Luk.10,27; Eph.3,19)

 

 

 

Gott ist unser Leben,

 

das wir leiden,

 

um zu sehnen.

 

(1.Kor.15,28; Röm.8,22f; Spr.14,23 im Original; Jes.45,7)

 

 

 

Gott ist unser Tod,

 

mit dem er aus unserem Leben erwacht.

 

(1.Kor.15,28)

 

 

 

Gott träumt sich

 

in einem Schlaf, den er uns leben lässt,

 

als wir.

 

(Pred.1,2; 12,7f; Jes.45,7; Luk. 17,21)

 

So sind wir er,

 

die uns nur träumen,

 

(Pred.2,23)

 

so bitter und voll unstillbarer Sehnsucht,

 

wie Ja und Nein die Liebe eint.

 

(Luk.12,51; Mat.5,44)

 

 

 

 

 

 

 

Gott und Sprache

 

 

 

Ein Gott, über den man sprechen kann,

 

ist, wie alles, nur ein Gebilde des Gehirns.

 

 

 

Ein Gott, mit dem man sprechen kann,

 

ist naiver Aberglaube.

 

 

 

Der Gott, zu dem wir sprechen können,

 

steht über allen Antworten.

 

 

 

 

 

 

 

Gott V

 

 

 

Was ist das

 

für ein erbärmlicher Gott,

 

der genau so

 

wie die klägliche Krone seiner Schöpfung:

 

ist und will und kann,

 

nur alles super

 

und selbst ungeschaffen.

 

Seine Übergötter aber sind:

 

das Sein, sein Sosein

 

und die Dichotomie

 

von Gut und Böse!

 

 

 

 

 

 

 

Gott VI

 

 

 

Ich nenn´ es Gott

 

und sprech´ zu ihm

 

Gedanken- um Gedankenwort.

 

 

 

Und plötzlich

 

fährt´s in mir

 

von selber fort:

 

Das eig´ne Wort

 

wird zur Antwort.

 

 

 

 

 

 

 

Gott VII

 

 

 

Da das Nichts nicht sein kann,

 

ohne doch etwas zu sein,

 

auch nicht es selbst,

 

ist es Alles, da

 

das nicht sein kann,

 

ohne doch nicht alles zu sein,

 

nämlich nicht sein eigenes Sein.

 

 

 

Und wir,

 

die Nichts und Alles unterscheiden,

 

ohne zu begreifen,

 

sind nichts doch, auch nicht wir selbst,

 

und alles nicht, auch wir selbst nicht.

 

 

 

Wir nennen das Gott.

 

 

 

 

 

 

 

Gott VIII

 

(2.Mos. 3.14)

 

 

 

„Ich bin, der ich bin“, sagt Gott:

 

daher ununterscheidbar,

 

daher alles,<